Wir trotzen erneut allen Widrigkeiten
Nach den Erfahrungen des 1. Spieltages reagierte ich recht entspannt, als die ersten Absagen einschlugen. Und auch eine kurzfristige krankheitsbedingte Absage unserer Isabel nur wenige Stunden vor Beginn der Begegnung konnte mich nicht aus der Ruhe bringen, obwohl damit der Mannschaft gerade einmal drei Stammkräfte zur Verfügung standen. Eigentlich sogar nur 2 1/2 Stammkräfte, da Frank immer noch nicht völlig genesen war, sich aber angesichts der Wichtigkeit des Kampfes und unserer Personalnot trotzdem ans Brett begab. Diese Gelassenheit des Mannschaftsführers schien sich auf das gesamte Team zu übertragen, denn man ging äußerst konzentriert in diesen Spitzenkampf, den man insgesamt betrachtet souverän gewann!
Dass wir diesen letztlich ungefährdeten Sieg haben einfahren können, könnte aber auch mitunter daran gelegen haben, dass die Lechhauser einige Überraschungen haben verkraften müssen, die sie in dieser Form anscheinend nicht erwartet hatten, sodass sie nicht ihre volle Spielstärke haben abrufen können.
Es fing bereits damit an, dass der eintreffende Mannschaftskapitän unserer Gegner erstaunt feststellen musste, dass bereits 20 Minuten vor dem Kampf fast alle Schachfreunde, Wernfred hatte sich mit dem Fahrrad etwas verfahren und traf wenig später ein, vor dem Spiellokal standen und sich unterhaltsamen Gesprächen hingaben. Später sorgte die Anwesenheit von drei Kindern – Zarko, Robert und Jakob – für Verwirrung beim Gegner, kam für ihn doch deren Einsatz nur am 8. Brett in Frage, dieses aber laut Reglement nur einmal besetzt werden dürfe. Man konnte die Frage „Was machen denn die anderen Kinder hier?“ von so manchem Gesicht förmlich ablesen. Auch unser Bestehen auf eine klare Markierung der Bretter stieß auf Unverständnis, sollte sich diese doch nach Ansicht des Mannschaftsführers der Heimmannschaft aufgrund der Nummerierung der Uhren zwingend ergeben. Doch dem Einwand, dass eine Reihenfolge von 2, 1, 3, 4, 6, 8, 10 und 12 nicht gerade selbsterklärend sei, wusste man nichts entgegenzusetzen, weshalb man die einzelnen Paarungen mit dem Hinweis auf das entsprechende Brett verlas. Den letzten Schlag, den zugegebenermaßen nur ein Lechhauser Spieler zu verkraften hatte, war, dass wir Schachfreunde, insbesondere meine Wenigkeit, dem Hang zur Musik während einer Schachpartie mit einer Null-Toleranz-Grenze begegneten. Doch dazu später mehr.
Aber unabhängig davon, wussten wir auch am Brett zu überzeugen, denn nachdem der Kampf freigegeben worden war, konnte ich, nachdem mein Gegner im Duell der Vereinsvorsitzenden bereits in der Eröffnung in ein tiefes Nachdenken verfallen war, etliche erfreuliche Stellungen bewundern. So legte Frank (2. Brett) trotz seines Handicaps mit einem Gambit (!!) munter los, Zarko (3. Brett) wähnte sich einer Vorbereitung ausgesetzt und suchte nach einer sinnvollen Abweichung, Jörg (4. Brett) hatte mit Schwarz frühzeitigen Ausgleich, Andreas (5. Brett) setzte gerade zu seinem gefürchteten schachlichen „Würgegriff“ an, Wernfred (6. Brett) genoss sichtlich seinen Sizilianer, Robert (7. Brett) spulte routiniert das im Training behandelte Gambit herunter und selbst Jakob (8. Brett), der nicht nur kurzfristig eingesprungen, sondern für den es erst die zweite Turnierpartie war, stand mit Schwarz schnell besser. Doch gerade dieses Schnell bereitete mir einiges Kopfzerbrechen, machte doch der äußerst talentierte Junge keinerlei Anstalten, die Geschwindigkeit seiner Züge zu drosseln und so die Früchte seiner Arbeit einzufahren.
Da mein Gegner mittlerweile gezogen hatte, nahm ich wieder an meinem Brett Platz und war gerade dabei, meine Strategie festzulegen, als ich in meiner Konzentration durch ein Pfeifen gestört wurde. Am Nachbarbrett sah sich nämlich Franks Gegner dazu veranlasst, seine Partie mit einer fröhlichen Melodie zu untemalen, was von mir umgehend mit einer bestimmten Aufforderung des Unterlassens bedacht wurde. Der entsprechende Spieler beteuerte, dass ihm dies noch nie passiert sei, versicherte von einem süffisanten Lächeln begleitet, dass dies auch nicht mehr vorkommen werde und hörte auch tatsächlich auf zu pfeifen. Ich widmete mich wieder meiner Stellung, erkannte, dass mir mein Gegner zu viele Freiheiten ließ und entschloss mich dazu, eine Umklammerung am Königsflügel zu versuchen, hatte ich doch das Zentrum fest im Griff.
Meinen Gegner mit seinen Problemen nach dem 9. Zug alleinlassend, machte ich wieder die Runde und kam gerade noch rechtzeitig, um die Endphase in Jakobs Partie mitzuerleben. Hier hatte sich mittlerweile die Bewertung umgekehrt, was angesichts des Tempos, in dem Jakob seine Züge abfeuerte, auch nicht weiter verwunderlich war. Allerdings übersah der Gegner beim Ansetzen zum finalen Angriff eine Kleinigkeit, die Jakob wieder ins Spiel gebracht hätte. Doch anstatt sich wenigstens in höchster Not die Zeit zu nehmen, evtl. noch eine Lösung zu finden, die es ja auch gab, ohne dass sie schwer zu sehen gewesen wäre, blieb er seiner Linie treu und gab wenig später die Partie auf – 0:1.
Ungeachtet dessen machte ich mir keinerlei Sorgen, denn Frank hatte unter Rückgewinn seines Gambitbauern eine leicht bessere Stellung erreicht, Zarko stand positionell überwältigend – Läuferpaar und gefühlte Mehrfigur -, Jörg hatte seinen Laden voll im Griff, Andreas hatte soeben einen Mehrbauern erspielt und Robert hatte ein derart tiefes Verständnis für die Angriffsmöglichkeiten seiner Eröffnung an den Tag gelegt, dass er seinem Gegner bereits eine Figur hatte abnehmen können – Wirklich beeindruckend! Da fiel es dann auch nicht weiter ins Gewicht, dass Wernfred zwischendurch den Faden und dabei auch einen Bauern eingebüßt hatte. Alles war gut.
Dann geschah eine ganze Zeit lang nichts, zumindest nichts, was im herkömmlichen Sinne mit dem Schachspiel zu tun hat. Vielmehr war es so, dass während ich, nachdem mein Gegner seine Probleme nicht zufriedenstellend hatte lösen können, über die richtige Vorgehensweise nachdachte, abermals vom Nebenbrett mit einer fröhlichen Melodie erfreut wurde. Dieses Mal wurde der entsprechende Spieler sowohl von seinem Mannschaftsführer als auch von mir ermahnt, die Turnierruhe einzuhalten. Von Reue jedoch vollkommen unberührt, begann der Störer auch noch seine Musikalität zu rechtfertigen, bevor er letztlich doch, wenn auch offensichtlich widerwillig, wieder Ruhe gab.
Als wenn das ein Signal gewesen wäre, überschlugen sich nun plötzlich die Ereignisse. Zarko kam und meldete den erwarteten Punkt – 1:1 -, sein Bruder Robert, der aufgrund der späten Stunde, es war inzwischen doch schon ca. 21.30 Uhr, sich im Endspiel mit Mehrfigur unnötigerweise das Leben schwer gemacht hatte, konnte gleichfalls einen vollen Zähler beisteuern – 2:1 -, Jörg willigte in einem ausgeglichenen Damenendspiel in ein Remis ein – 2,5:1,5 – und Andreas vermochte überraschend schnell einen Sieg einzufahren, weil sein Gegner in Andreas Zeitnot grobe Fehler gemacht hatte – 3,5:1,5. Mit diesem Ergebnis und noch dreier laufender Partien, war der Mannschaftssieg schon so gut wie in der Tasche!
Das Ende des Kampfes vor Augen habend, setzte Franks Gegner zu einer letzten Störung an, indem er ihm, nachdem Frank bereits mehrere Minuten lang nach einer vorteilhaften Fortsetzung im Turmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern gesucht hatte, lauthals Remis bot, ohne am Zug zu sein! Und während Frank dieses Angebot kommentarlos durch das Ausführen seines nächsten Zuges ablehnte, wunderte ich mich doch sehr darüber, wie jemand am Schachbrett ergrauen und dabei dermaßen oft in nur einem Mannschaftskampf gegen die Regeln verstoßen kann. Sei es Unkenntnis, eine schlechte Kinderstube oder einfach nur Unsportlichkeit, das sei dahingestellt. auf alle Fälle bleibt zu hoffen, dass andere Mannschaften von diesem Verhalten verschont bleiben mögen.
Der Rest ging dann auch tatsächlich schnell über die Bühne, denn unmittelbar danach streckte nicht nur mein Gegner die Waffen, auch Wernfred stellte seine Bemühungen ein, seine Stellung noch irgendwie zu halten, weshalb beim Stande von 4,5:2,5 Frank von sich aus Remis bot, was dessen Gegner freudigst annahm und damit unseren 5:3-Sieg sicherstellte, bevor er sich nach einer kurzen Analyse auf den Heimweg machte, um sich auszukurieren.
Trotz dieses Sieges sind wir nicht alleiniger Tabellenführer, weil Gersthofen II mit einem 5,5:2,5-Sieg dieselbe Anzahl an Mannschafts- und Brettpunkten aufweist, sodass am 18. Januar 2014 ein weiterer Spitzenkampf in der A-Klasse ansteht. Doch bis dahin ist es glücklicherweise noch ein ganzes Weilchen hin, was uns die Möglichkeit gibt, unseren Krankenstand zu reduzieren und möglichst vollzählig anzutreten. Mit diesem frommen Wunsch eines gebeutelten Mannschaftsführers schließe ich den Bericht und hoffe, dass alle diese lange Pause schachlich unbeschadet überstehen werden
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