„Avanti Dilettanti“
Bereits im zweiten Anlauf durften wir die Endrunde des Pokalwettbewerbs bestreiten, wozu wir uns ins oberbayerische Ilmmünster aufmachten, um uns dort gegen die Vierer vom SC Bavaria Regensburg, SC SW Nürnberg und SV Ilmmünster tunlichst durchzusetzen. Schließlich wollten wir nicht nur die Qualifikation auf die nächsthöhere Ebene erreichen, sondern einen weiteren „Pott“ nach Augsburg holen.
Ausgerechnet jenes Wochenende sollte jedoch nicht unser bestes sein, sodass wir nach einem glücklichen Erfolg im Halbfinale wirklich alles unternahmen, um einen Sieg im Finale zu verhindern. Zum Trost dürfen wir wenigstens trotzdem mit den ganz großen „Jungs“ mitmischen und schauen, wo wir stehen.
Unsere Begeisterung ob des Erreichens der Endrunde, die für die Verlierer der Halbfinalbegegnungen noch ein Spiel um den dritten Platz bereithielt, war riesig, war es doch unserem jungen Verein noch nie zuvor gelungen, so weit vorzustoßen.
Entsprechend gut gelaunt, ja beinahe euphorisch, machten wir, namentlich Thomas, Uli, Zarko und meine Wenigkeit, uns ins gefühlte Ausland auf, um den beiden Bezirkspokalen der letzten beiden Jahre einen auf Landesebene hinzuzufügen. Angesichts der Konkurrenz keine leichte Aufgabe, aber bei lediglich zwei Begegnungen an jeweils vier Brettern keineswegs unmöglich.
Im Vereinsheim des SV Ilmmünster angekommen wurde sodann die Auslosung vorgenommen, die uns mit dem Gastgeber einen erfahrenen Regionalligisten bescherte. Also ein Kampf auf Augenhöhe, obwohl die Oberbayern auf einen ihrer Topspieler hatten verzichten müssen. So zumindest unsere Einschätzung, die sich bedauerlicherweise im Laufe des Wettkampfes als nur zu wahr entpuppen sollte.
Halbfinale: SV Ilmmünster – Schachfreunde Augsburg
Die Oberbayern machten aus der Not eine Tugend, indem sie taktisch aufstellten und ans Spitzenbrett ihren nominell schwächsten Spieler beorderten. Doch eine richtige Schwächung stellte diese Maßnahme keineswegs dar, war der betreffende Spieler der eifrigste Punktesammler im laufenden Wettbewerb. Ein Umstand, der im Laufe der Begegnung zum tragen kommen sollte.
Wie dem auch sei, die Bretter wurden freigegeben und schon ging es los. Thomas wurde mit dem sich aktuell großer Beliebtheit erfreuenden „Italiener“ konfrontiert, Zarkos Gegner versuchte den Tatendrang unseres Gipfelstürmers mit der „Alapin-Variante“ einzudämmen, Uli vertraute ein weiteres Mal auf den „Geschlossenen Sizilianer“ und ich in meinem Übermut packte eine scharfe Variante gegen den „Franzosen“ aus, die wir erst kurz zuvor im Training besprochen hatten.
So weit so gut, wenngleich schon bald klar wurde, dass unsere getroffenen Entscheidungen zu keinem schnellen Erfolg führen würden. Denn bei Thomas entwickelte sich eine zähe Geschichte, in der der Gegner den Ton angab, Zarko steckte regelrecht fest und ich wurde, wie konnte es anders sein, von meinem Gegner überrascht, weshalb ich bestenfalls über leichten Vorteil verfügte. Lediglich Uli hatte die Gunst der Stunde genutzt und des Gegners unorthodoxes Vorgehen auf den Prüfstand gestellt, indem er einen seiner berühmt-berüchtigten Königsangriffe aufzog.
Dieser, objektiv betrachtet vermutlich keineswegs zwingend, doch für einen Verteidiger schwer zu spielen, entwickelte eine immer größer werdende Kraft, sodass es nicht lange dauern sollte, bis unsere Führung feststand – 0:1 aus der Sicht des SV Ilmmünster.
Trotz des Zwischenstandes wollte keine Entspannung eintreten, weil mittlerweile auch ich nicht weiterkam und sich an Thomasens Brett die Dinge alles andere als erfreulich entwickelten. Sollten die Partien erwartungsgemäß ausgehen, dann stände ein 2:2 zu Buche, wonach wir nach Berliner Wertung draußen wären.
Ausgerechnet in dieser Situation erlaubte ich mir einen Aussetzer, der mich nötigte, mich anschließend ausschließlich der Verteidigung zu widmen. Diese erfolgreich zu gestalten, dessen war ich mir gewiss, hing doch mein Gegner seit dem 25. Zug am Tropf des Zeitaufschlags, müsste mir irgendwie gelingen. Unabhängig davon ärgerte ich mich gewaltig über mein schlechtes Spiel als unvermittelt eine weitere Erfolgsmeldung einschlug.
Zarkos Gegner, der bis dato umsichtig und gut agiert hatte, hatte sich einen Augenblick der Unaufmerksamkeit erlaubt, die Zarko unverzüglich bestrafte, Material gewann und so für den Ausbau der Führung sorgte – 0:2 aus der Sicht des SV Ilmmünster.
Von diesem Ergebnis gänzlich unbeeindruckt, spielten die verbliebenen beiden Oberbayern weiter, wobei es sich am zweiten Brett immer deutlicher abzeichnete, dass Thomas wohl eine Niederlage würde quittieren müssen. Diese ließ dann auch nicht lange auf sich warten und plötzlich war der Anschluss da – 1:2 aus der Sicht der Oberbayern.
Nun richteten sich alle Blicke aufs Spitzenbrett, wo meine weißen Steine wahrlich alles erdenkliche taten, um einen wichtigen Bauern direkt oder indirekt zu decken. Trotzdem wäre dieser wichtige „Mann“ wohl verlorengegangen, wenn dem Gegner die seit etlichen Zügen knappe Bedenkzeit kurz vor der Zeitkontrolle nicht zum Verhängnis geworden wäre. Eine schlichte Springergabel sollte die Entscheidung zu meinen Gunsten bringen, die mir eine Qualität mit anschließender Klärung der Stellung bescherte. Damit war der glückliche Sieg perfekt und wir durften den Traum vom Pokalsieg weiterträumen – 1:3 aus der Sicht des SV Ilmmünster.
Finale: Schachfreunde Augsburg – SC Bavaria Regensburg
Zwischen uns und dem „Pott“ stand nur noch der Vierer aus Regensburg. Kein geringes Hindernis, denn neben den in der Oberliga gestählten Jugendlichen Cedric Oberhofer, Jana Schneider und Lars Goldbeck hatte man mit Novak Pezelj einen spielstarken IM aufgestellt, womit klar war, dass man uns bei aller Freundschaft nichts schenken wollte.
Und wie stark dieses Team aufzutreten weiß, das hatten die Nürnberger am Vortag schmerzlich erfahren müssen, die mit 0,5:3,5 förmlich von den Brettern gefegt wurden.
Auf unserer Seite fehlte dagegen der „Zauberer“, sprich Uli, für den Mehran in die Mannschaft rückte. Glaubte man den Zahlen, eine gewaltige Schwächung, doch wussten wir alle, dass Mehran einen adäquaten Ersatz darstellte. Etwas, was er in der Folge eindrucksvoll unter Beweis stellen sollte.
Gleich mit dem Verlesen der Paarungen stellte sich heraus, dass ich an jenem Wochenende nicht nur schachlich vollkommen daneben war, auch meine Vorbereitung war unterirdisch. Denn während sich meine Kameraden darauf verlassen hatten, dass die Regensburger wie am Vortag antreten würden, fehlte mir der Glaube, dass sie auf den Einsatz des IMs am Spitzenbrett verzichten würden, wäre hier doch eine entschiedene Partie für die Berliner Wertung entscheidend.
Während also die anderen drei „Augschburger“ ihre Heimvorbereitung entkorken durften, saß ich mit leeren Händen Jana gegenüber und malte mir im Gegenzug in den schillerndsten Farben ihre Vorbereitung aus. Deswegen verzichtete ich auf meinen üblichen Aufbau gegen den „Maroczy“, testete ihre Theoriekenntnisse und landete in einem für beide Seiten recht perspektivlosen Mittelspiel ohne Damen. Wir nahmen davon Abstand, dies weiterzuspielen und einigten uns nach bereits knapp zwei Stunden auf eine Punkteteilung – 0,5:0,5.
Dieser frühe Friendsschluss sorgte bei Mehran, Thomas und Zarko für eine gewisse Verwirrung, kannten sie mich doch nicht derart friedfertig, sorgte bei mir jedoch für gute Laune. Denn nicht nur, dass ich mit meinen an jenem Wochenende äußerst übersichtlichen Fertigkeiten ein gegnerisches Weißbrett neutralisiert hatte, die anderen drei standen zudem blendend, ohne dabei den Druck zu spüren, unbedingt gewinnen zu müssen.
Dass jedoch jeder von ihnen den vollen Zähler vor Augen hatte, das sollte im Verlauf der Begegnung immer deutlicher zu Tage treten. Thomas, er traf übrigens tatsächlich auf den IM, hatte den Gegner zur Passivität verdammt, Zarko erfreute sich eines gesunden Mehrbauern, was auch Mehran zutraf. Je nach Verteilung hätten auch nur eineinhalb Punkte gereicht, doch schien ein Kantersieg mehr als wahrscheinlich.
Hier hätte der Bericht mit einer Aneinanderreihung von Aufgaben der Oberpfälzer ein schönes Ende finden können, wenn sich die Regensburger ins scheinbar unvermeidliche gefügt und die Waffen gestreckt hätten. Allerdings war dem nicht so, stattdessen machten sie immer wieder einen Zug, wenn sie dran waren, womit sich der Kampf hinzog.
Nicht, dass dies die Aussichten geändert hätte, aber es verlangte unseren Recken in der Konzentration alles ab, welche mit zunehmender Dauer der Begegnung nachzulassen schien. Dies hatte zur Folge, dass wir nach der Zeitkontrolle immer noch auf einen hohen Sieg zusteuerten, plötzlich jedoch von „Schachblindheit“ geschlagen waren.
Den Anfang machte Thomas, der in dominanter Stellung unvermittelt eine Figur einstellte. Ausgesprochen schade, dass seine bis dato stark geführte Partie ein solch unwürdiges Ende hatte nehmen müssen – 0,5:1,5.
Plötzlich standen Mehran und Zarko unter Druck, unbedingt gewinnen zu müssen, wenn man einen Verlust nach Berliner Wertung vermeiden wollte. Dies war jedoch alles andere als leicht, denn Mehran hatte sich kurz vor der Zeitkontrolle für eine falsche Aufstellung entschieden, die seinen Mehrbauern im gleichfarbigen Läuferendspiel wesentlich entwertete. Daher erzeugte Zarkos gewonnens Turmendspiel keine echte Freude.
Und dann kam es knüppeldick! Nicht nur, dass Mehran zähneknirschend ins Remis einwilligen musste, auch Zarko verschenkte einen halben Punkt, womit die 1,5:2,5-Niederlage feststand. Bitter, aber so ist Schach nun einmal.
Fazit:
Die anfängliche Enttäuschung ob des verpassten Titelgewinns wich alsbald der Erkenntnis, dass wir durchaus Luft nach oben haben. Außerdem dürfen wir uns nach der Blitzmeisterschaft nun auch im Pokal auf deutscher Ebene messen, was keineswegs selbstverständlich ist.
Unseren Regensburgern gratuliere ich an dieser Stelle herzlich zum Pokalsieg, obwohl es keinen „Pott“ dafür gab und man sich nur mit dem Titel „Bayerischer Pokalsieger 2019“ schmücken darf, und hoffe, dass sie auf nationaler Ebene möglichst weit kommen werden. Am besten ins Finale, wo wir auf sie warten und auf eine neue Chance brennen werden. 😉
Alle Ergebniss gibt es wie gewohnt auf der Homepage des BSB und eine Darstellung aus der Sicht der Sieger gibt es hier. Viel Spaß beim Lesen.
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