Uhrenhandicap in Winnenden

Wenn die Heimat ruft

 

Ursprünglich war vorgesehen, dass man sich jährlich trifft, um sich nicht nur sportlich zu messen, sondern vor allen Dingen auch den Kontakt nicht abreißen zu lassen, ist doch der SC Winnenden der Verein, der mich als Zehnjährigen zuerst aufgenommen und dreizehn Jahre lang geprägt hat. Aber wie das Leben so spielt, sollte es ganze vier Jahre dauern, bis es endlich zu einem Wiedersehen kam. Dass unter diesen Umständen der Schachwettkampf etwas in den Hintergrund hatte treten müssen, das dürfte nachvollziehbar sein, wenngleich die Partien trotzdem erbittert geführt wurden. Es heißt ja nicht umsonst: „Bei Schach, da hört die Freundschaft auf!“ 😉

 

Dabei hatte es anfangs ganz danach ausgesehen, als wenn die Revanche nicht stattfinden könnte, schienen sich doch alle dagegen verschworen zu haben. Der Streik der Lokführer hatte mich genötigt, auf einen Mietwagen zurückzugreifen. Doch die Autovermieter hatten kaum noch PkW in ihren Fuhrparks, sodass ich erst im zweiten Anlauf den vorletzten Mietwagen ergattern konnte. Nun hieß es rauf auf die Autobahn und ab nach Winnenden. Zumindest theoretisch. Denn tatsächlich geriet ich noch vor Adelsried in einen Stau, von da fließend übergehend in einen zähflüssigen Verkehr usw.. Letztlich benötigte ich etwas über drei Stunden für die Strecke und kam mit Verspätung im Spiellokal an.

 

Nach einer kurzen, aber herzlichen Begrüßung legten wir los und ich sah mich an acht Brettern der Winnender Ersten gegenüber – aktuell Tabellensechste der Bezirksliga Stuttgart -, die lediglich zwei Ersatzspieler nominieren musste. Bei 2 Std. für 40 Züge und 30 Min. für den Rest ist man als Simultanspieler natürlich bestrebt, möglichst bald wenigstens eine Entscheidung herbeizuführen, um das Zeitverhältnis von 15 Min. zu 2 Std. zu eigenen Gunsten zu verbessern.

Doch diese Überlegungen waren natürlich auch meinen Winnendern nicht fremd, sodass sich an fast allen Brettern ein langwieriger und zäher Kampf entwickelte. Nur im Duell der Vereinsvorsitzenden ließ sich mein Gegner von meinem harmlos wirkenden Aufbau irreführen, handelte sich eine eklatante positionelle Schwäche ein und musste nach einer Öffnung der Stellung recht bald eine Ruine verwalten. Und so kam es aufgrund des Spielverlaufs nicht unerwartet, dass er nach bereits eineinhalb Stunden die Waffen strecken musste – 1:0.

 

Das sollte jedoch für lange Zeit die einzige entschiedene Partie bleiben und ich musste mich an den anderen Brettern mit dem Sammeln kleiner Vorteile begnügen, an einem Brett gar nach einem doppelten Bauernopfer des Gegners trotz eines damit einhergehenden Damentausches über meinen im Zentrum hängengebliebenen König wachen.

Dieser Zustand währte bis kurz vor der Zeitkontrolle, bevor plötzlich eine Reihe an Entscheidungen einsetzte. Mein ehemaliger Jugendleiter, für sein taktisches Gespür weithin bekannt, übersah ausgerechnet einen Einschlag und gab sofort auf. Kurz danach folgten noch vier weitere Niederlagen, sodass ich unversehends uneinholbar in Führung lag – 6:0.

 

Die letzten beiden verbliebenen Partien standen ebenfalls recht gut für mich, auch wenn ich in der einen zwischenzeitlich eine Qualität hatte opfern müssen und in der anderen ein Turmendspiel mit einem Mehrbauern auf dem Brett hatte. Eigentlich war ich mir sicher gewesen, dass ich beide nach Hause bringen würde, als mir ohne jedweden zeitlichen Druck ein taktischer Fehler unterlief und ich an einem Brett ein Dauerschach akzeptieren musste. So konnte ich mich wenigstens voll auf meine vom Turm- zum Damenendspiel mutierten Partie konzentrieren, die ich schließlich auch gewann – 7,5:0,5.

 

Erst danach setzte der Teil ein, der der eigentliche Beweggrund unserer Zusammenkunft war und so verflog die Zeit mit lockeren Analysen, netten Gesprächen, Abschlussgesprächen und endgültig letzten Gesprächen in der Kälte des Parkplatzes, was uns allen eine kurze Nacht bescherte. Denn ich musste am nächsten Tag, nachdem ich mich selbstverständlich mit ausreichend Brezeln – Einzig richtige Schreibweise! 😉 – und Saiten eingedeckt hatte, wieder den Heimweg antreten, wartete doch am Abend ein weiterer Kampf in der Kreisliga II auf mich.

 

Weil es so überaus nett war, nochmals einen herzlichen Dank nach Winnenden für den schönen Abend, wird nicht nur die nächste Begegnung wie geplant stattfinden, es ist auch ein echter Vergleichskampf des SC Winnenden gegen uns Schachfreunde vorgesehen. Ich freue mich darauf! 🙂


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