Noch etwas Sand im Getriebe
In der 4. Runde ging es mit Aichach gegen ein Team, das bisher ausschließlich gegen starke Mannschaften gespielt hatte, dabei 4:2 Punkte erspielen konnte und sich nun berechtigte Hoffnungen machen durfte, nach einem Sieg gegen uns, den Aufstieg ins Oberhaus des Kreisverbandes zu schaffen. Entsprechend gewarnt gingen wir in diese Begegnung, ließen nur an wenigen Brettern etwas anbrennen und traten mit einem insgesamt verdienten Erfolg die Heimreise in unsere schöne Fuggerstadt an.
Dass wir ausgerechnet in so einer Situation unseren Hannes hatten ersetzen müssen, das tat zwar weh, doch mit Jörgs Berufung in die Erste war die Zuversicht recht groß, die entstandene Lücke halbwegs geschlossen zu haben. Und so machten wir uns nach Aichach auf, wo wir derart früh eintrafen, dass selbst unsere Gastgeber noch nicht im Spiellokal anzutreffen waren. Kurzentschlossen wollten wir ein Café aufsuchen und uns bei einem warmen Getränk auf den Kampf etwas einstimmen, hatten aber nicht das Glück, ein geöffnetes Lokal zu finden, sodass wir nach einem erbaulichen Spaziergang in der Kälte zum Vereinshaus des BC Aichach zurückkehrten, das mittlerweile zugänglich war.
Kurze Zeit später wurden die Aufstellungen verlesen und es wurde uns offenbar, dass die Aichacher nicht nur in nahezu Bestbesetzung antraten, sondern auch gefühlte 250 Jahre mehr Turniererfahrung an die Bretter brachten. Wie sich beides auf den Kampfverlauf auswirken würde, das war zu jenem Zeitpunkt zwar noch nicht abzusehen, doch machte es uns klar, dass unsere Gastgeber nichts unversucht lassen wollten. Und nach einer kurzen und freundlichen Begrüßung wurden die Uhren angedrückt.
Mehr passierte an meinem Brett auch nicht, denn mein Gegner schien sich zu verspäten, zumindest hoffte ich das und nicht, dass mir ein weiterer kampfloser Punkt zugedacht werden sollte, weshalb ich Zeit hatte, mich ein wenig umzuschauen. So durfte ich Zarkos Sturm in der Eröffnung mitansehen, hatte sein Gegner doch nach nur wenigen Zügen eine Ungenauigkeit begangen, die gnadenlos auszunutzen sich unser Jungmeister anschickte. Auch um Martin musste ich mir noch keine Sorgen machen, wenngleich das hohe Tempo seines Gegners darauf schließen ließ, dass er entweder vorbereitet oder ihm das System bestens vertraut war. Etwas erstaunt war ich bei Andreas, schienen doch er und sein Gegner die Caro-Kann Verteidigung irgendwie neu erfinden zu wollen und investierten deshalb beide ungemein viel Zeit in eigentlich hinlänglich bekannte Züge. Gänzlich anders das Bild an Jorges Brett. Während der Gegner nach reiflicher Überlegung seine Züge in der Philidor Verteidigung ausführte, kamen Jorges Züge wie aus der Pistole geschossen, was allerdings deren Qualität keinen Abbruch tat. Und an den letzten drei Brettern standen Robert, Jörg und Mehran fest, wobei Mehran in seinem „Franzosen“ bereits die Initiative an sich hatte reißen dürfen. Alles war gut! 🙂
Mit einer 16-minütigen Verspätung traf dann auch mein Gegner ein, bei einem jungen Vater kann so etwas stets passieren, und unvermittelt sah ich mich der Pirc Verteidigung gegenüber. Eigentlich spiele ich ja gerne dagegen, aber die Zugwahl meines Gegners behagte mir nicht so recht, weshalb ich bei der Wahl meiner Variante einiges an Zeit verbrauchte. Als ich mich dann endlich für einen Aufbau entschlossen hatte, da kam plötzlich eine seltene Stellung aufs Brett, was zur Folge hatte, dass ich noch mehr Bedenkzeit investieren musste, wobei ich mich zunächst an das richtige Abspiel zu erinnern versuchte und als mir das nicht ganz gelingen wollte, da begab ich mich auf die Suche nach dem richtigen Plan.
Dies muss recht lange gedauert haben, denn unvermittelt kam Leben in den Spielsaal. Am dritten Brett hatte Martins Gegner, nachdem er sich eine gute Stellung aufgebaut hatte, nicht nur weiterhin schnell gezogen, sondern auch einen Angriff mit nur einer Hälfte seiner Streitkräfte zu inszinieren versucht. Dabei übersah er einen taktischen Witz, man stellt aber auch nicht freiwillig den König in die Läuferdiagonale des gegnerischen Läufers, und wurde kurzerhand ausgeknipst.
Unmittelbar danach vermeldete auch Jorge einen Sieg, der, nachdem ihm sein Gegner zwei zusätzliche Tempi geschenkt hatte, in einer ausgesprochen souveränen Art und Weise herausgespielt worden war – 2:0!
Auch an den anderen Brettern war zwischenzeitlich viel passiert. So hatte Zarko am Königsflügel eine zweite Front eröffnet, um dem unrochierten gegnerischen König besser zu Leibe rücken zu können. Ein Vorhaben, das vielversprechend aussah. Robert befand sich in einer wilden Stellung, hielt aber alles taktisch zusammen, Jörg hatte eine Figur für Angriff geopfert und begann sich den schwarzen Monarchen zurechtzulegen und Mehrans Vorteil nahm immer handfestere Formen an. Sogar bei Andreas, der in komplizierter Stellung und im ca. zwölften Zug befindend zielstrebig auf die Zeitnot zusteuerte, lag eine rasche Entscheidung in der Luft. Lediglich bei mir war noch nichts klar, wenngleich sich schon erste Ungenauigkeiten im Spiel meines Gegners einschlichen.
Just in dieser kritischen Phase ging die Tür des Spiellokals auf und Martin trat mit Heißgetränken, die er sich irgendwo in Aichach besorgt hatte, ein. Dies tat allen Spielern richtig gut und ganz besonders Jörg, der, ohne seinen Kaffee ausgetrunken zu haben, gleich den dritten Punkt beisteuerte – 3:0.
Beflügelt vom Kaffee machte ich mich daran, die unharmonische Figurenaufstellung meines Gegners auszunutzen und startete einen vielversprechenden Angriff. Aber kurz bevor dieser seine volle Kraft entfalten konnte, vollstreckte Zarko sehenswert. Damit stand es 5:0 und unser Sieg war gesichert!
Mittlerweile waren etwas mehr als drei Stunden seit Partiebeginn vergangen, was sich bei Robert und Mehran deutlich bemerkbar machte. Denn beide ließen etwa zu dieser Zeit ihre Möglichkeiten ungenutzt verstreichen, griffen furchtbar fehl und steuerten auf je eine Niederlage zu. Diese ließen auch nicht lange auf sich warten, sodass die Aichacher ziemlich glücklich auf 5:2 verkürzen konnten.
Damit, dass die Kinder am Abend „ausgesessen“ werden, wird der Nachwuchs noch lange leben müssen, ist doch bei der Mehrheit des Kreisverbandes kein Bestreben erkennbar, diese Altersgruppe besser in den Spielbetrieb zu integrieren. Andererseits ist es für die Jugend auch ein Ansporn, genauer zu rechnen, um einen möglichst frühzeitigen Erfolg zu erzielen.
Wie dem auch sei, wenden wir uns der letzten laufenden Partie zu. Hier hatte Andreas aufgrund der Zeitnot auf Komplikationen auf Kosten des Vorteils verzichtet und konnte dadurch in einer geschlossenen Stellung schnelle Entscheidungen treffen. Der Stand des Mannschaftskampfes und Andreas präzise Antwortzüge veranlassten wohl den Gegner, einer Punkteteilung zuzustimmen, womit der 5,5:2,5-Sieg feststand.
Nun stehen wir als „Herbstmeister“ fest, sind aber bei weitem noch nicht durch. Im Gegenteil, denn im neuen Jahr werden die ersten vier Mannschaften der aktuellen Tabelle ausschließlich gegeneinader spielen, sodass noch alles möglich ist. Sogar die zuletzt geschlagenen Aichacher, die nur gegen die untere Tabellenhälfte anzutreten haben, dürfen sich mit ihren vier Minuspunkten berechtigte Hoffnungen auf einen Aufstiegsplatz machen. Der 5. Spieltag am 17. Januar 2015 wird da auch nicht viel mehr Klärung bringen, wenngleich man dann wenigstens gewisse Tendenzen wird absehen können.
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