Eine erfreuliche Wandlung
Angesichts der Tatsache, dass unsere Erste vor zwei Jahren gegen die zweite Auswahl von Keres in einem wahren Schachkrimi nur mit viel Glück ein Unentschieden hatte erreichen können, übrigens der bisher einzig abgegebene Punkt, und unserer desolaten Vorstellung zu Saisonbeginn gegen den SK Kissing, erwartete man allgemein einen harten Kampf. Zählte man noch hinzu, dass an diesem Spieltag auch die zweite Mannschaft der Innenstädter bei uns zu Gast war, so war man beinahe geneigt, von einem epochalen Schachereignis auf dem Boden des Kreisverbandes zu sprechen.
Allerdings entpuppte sich der ansonsten höchst gefährliche SK Keres an diesem Abend irgendwie als harmlos und so gelang es uns, einen sicheren 5,5:2,5-Sieg einzufahren. Damit konnten wir nicht nur einen weiteren Mitkonkurrenten um den Aufstieg bezwingen, sondern zieren zusammen mit dem SK Mering II auch weiterhin die Tabellenspitze der Kreisliga I.
Dass die Kampfmoral unserer Gäste trotz der Wichtigkeit der Begegnung nicht ganz ausgeprägt war, das konnte man anfangs zwar nur vermuten, als der gegnerische Mannschaftsführer nach dem Verlesen der Aufstellungen mitteilte, dass das Spitzenbrett verwaist bleiben werde, doch verstärkte sich dieser Eindruck mit zunehmender Dauer des Wettkampfs.
Da mir also an diesem Abend eine weitere Zeitnot und viel Mühe erspart bleiben sollten, konnte ich von Anfang an alle Partien gut verfolgen und war dabei äußerst entspannt. Denn am zweiten Brett zeigte sich Hannes in höchstem Maße spielfreudig, hätte er ansonsten wohl kaum in die „Kreativkiste“ gegen die Aljechin-Verteidigung gegriffen. Auch Hermann am vierten und Martin am fünften Brett sprangen ihre Gegner förmlich an. Dagegen ließen es Alexander (6. Brett) und Andreas (7. Brett) eher etwas ruhiger angehen, wobei sie sich frühzeitig positionelle Vorteile zu sichern wussten. Lediglich bei Zarko gefiel mir dessen Aufbau gegen den „Stonewall-Angriff“ nicht und unser nachrückender Gunter schien sich in den „Wäldern Skandinaviens“ nicht richtig zurechtfinden zu können. Doch bei beiden machte ich mir wenig Sorgen, wusste ich doch über ihre Zähigkeit und Stärke Bescheid.
Diese Entspanntheit beim Zuschauer erfuhr eine leichte Eintrübung, als später, wir lagen wegen des kampflosen Sieges schon längst mit 1:0 in Führung, nicht nur Martin ein Remis vermeldete, sondern auch Alexander am Brett der Nachwuchsstars, unser Alexander mit knapp zwölf gegen B. Gronde mit 36 Jahren, die Stellung suboptimal behandelte und von da an das Kinn hinhalten musste – 1,5:0,5.
Im Gegenzug hatten sich Gunter und Zarko tatsächlich stabilisiert, wobei letzterer eine seiner berühmt-berüchtigten „Anakonda-Stellungen“ auf dem Brett hatte, die dem Gegner einen langen und unangenehmen Abend bescheren sollte.
Dann sollte jedoch eine ganze Weile nichts passieren, vielmehr bot man mir eine ausreichende Vorbereitungszeit, um mich als Schiedsrichter für die anbahnende Zeitnotphase zu wappnen, denn selbige raste gleich an fünf Brettern auf einige Spieler zu. Glücklicherweise durfte ich mich frühzeitig eines Problems entledigen, denn Hannes fuhr den ersten regulär erspielten Punkt für uns ein – 2,5:0,5.
Was war geschehen? Nun, H. Ostertag hatte seinem Spitznamen „Granithans“ alle Ehre gemacht und nicht nur alle Eröffnungsprobleme zufriedenstellend lösen können, sondern sich zwischenzeitlich auch über eine leicht bessere Stellung freuen dürfen. Allerdings hatte ihn das dermaßen viel Zeit gekostet, dass er auf der Zielgeraden zur Zeitkontrolle eine Abwicklung wählte, die ihn eine Qualität und kurz danach den Punkt kostete.
Von da folgten die Entscheidungen Schlag auf Schlag, wobei ausgerechnet unser äußerst solide spielender Andreas den Anschluss für die Gegner gestatten sollte. Er hatte nämlich lange Zeit alles richtig gemacht, machte dann allerdings den Fehler, die heraufziehende Zeitnot mit einigen nicht stellungskonformen, dafür aber schnell gespielten Zügen entschärfen zu wollen, geriet dadurch in den von Keres-Spielern heißgeliebten Taktiksumpf, der ihn nach einer Springergabel komplett verschlang – 2,5:1,5.
Dafür hatte Hermann seinen Gegner im Königsangriff dermaßen mürbe gemacht, dass H. Lindenmair bei arger Zeitnot zunächst die Dame und kurz danach den vollen spuckte, sodass der alte Zwei-Punkte-Abstand wiederhergestellt war – 3,5:1,5.
Am Brett der Benjamine hatte sich Alexanders Stahlkinn bezahlt gemacht, denn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit holte er zum Gegenschlag aus und zelebrierte das alte Thema „Guter Springer gegen schlechten Läufer“. So stand er bei des Gegners Zeitnot glasklar auf Gewinn und musste nur noch auf einen Bauerndurchbruch am Damenflügel achten. Wohl im Bestreben, den Gegner noch etwas beschäftigen zu wollen, entfernte er sich mit seinem Springer etwas zu sehr vom Brennpunkt des Geschehens und hätte so um ein Haar noch verloren. Doch der Gegner zögerte einen Zug lang mit dem siegbringenden Läuferopfer, was Alexander zur Reparatur nutzte, und schaffte trotzdem nicht mehr die Zeitkontrolle – 4,5:1,5-Führung und Sieg! 🙂
Unmittelbar danach trat ein sichtlich zerknirschter Gunter an mich heran, der durch eine Unachtsamkeit seine wahrlich nur noch schwer zu verlierende Stellung förmlich weggeworfen hatte. Und während ich noch das Ergebnis in den Ergebniszettel eintrug, kam Zarko hinzu, der seinen lange leidenden Gegner unvermittelt mit einem Matt von all den Qualen erlöst hatte – 5,5:2,5!
Am dritten Spieltag wird sich unser hartes Auftaktprogramm fortsetzen, wenn es gegen die starken Meringer heißt, die alleinige Tabellenspitze zu erobern. Das wird sicher nicht leicht, aber angesichts dessen, wie sich die Mannschaft präsentiert hat, müssen wir nicht befürchten, in Mering unsere Punkte kampflos abzugeben.
Nachtrag:
Den inoffiziellen Vergleichskampf mit dem SK Keres konnten wir letztlich mit 10:6 für uns entscheiden. Das ist zwar recht nett, für die Zukunft aber ausbaufähig, weshalb ich hoffe, dass unsere künftigen Begegnungen insgesamt etwas deutlicher für uns ausgehen werden. Doch wer die Recken vom SK Keres kennt, der weiß nur zu gut, dass diese bereits so manchen Traum oder Wunsch zum Platzen gebracht haben.
Hier gibt es alle Ergebnisse des zweiten Spieltages der Kreisliga I, wo man auch so manch unerwartete Entscheidung in anderen Begegnungen ersehen kann.
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