Vater und Söhne im Ländle
Weil es Zarko und mir im vergangenen Jahr in Böblingen so gut gefallen hatte und eine weitere Teilnahme für uns selbstverständlich gewesen war, erbat sich Robert gleichfalls einen Turnierstart, sodass wir erstmals zu dritt ein Turnier besuchten. Und da sich diese Zusammensetzung bereits bei mehreren Turnieren bewährt hatte, auch wenn ich da kein Spieler, sondern nur Betreuer gewesen war, kamen wir bestens gelaunt in Böblingen an, steckten uns hohe Ziele – jeder wollte in seiner Gruppe gewinnen – und genossen sichtlich die „Männerrunde“. Robert fühlte sich sogar so wohl, dass er im Laufe der fünf Tage für reichlich Furore sorgte! 🙂
C-Turnier:
Robert bekam es in der ersten Runde gleich mit einer erfahrenen Spielerin zu tun, die ihn mit Schwarz mit einem „Skandinavier“ zu überrennen versuchte, wofür sie sogar einen Bauern zu opfern bereit war. Doch unser Jungmeister ließ sich nicht beirren, behielt den Bauern, konsolidierte seine Stellung und gewann letztlich überzeugend – 1/1.
Dieser Sieg setzte natürlich Kräfte frei und so ging Robert voller Elan in die zweite Runde. Dort erwartete ihn allerdings ein weiterer Vuckovic, nämlich Nebojsa aus Reutlingen. Dass da trotz der Namensgleichheit kein Verwandtschaftsverhältnis bestand, das merkte man gleich, denn es ging sofort zur Sache. In diesem Handgemenge verlor Robert für einen Moment den Überblick, der ihn einen Bauern kostete und dem Gegner zugleich die Gelegenheit bot, eine Qualität für seinen Fianchetto-Läufer zu gewinnen. Dem konnte der ältere Vuckovic nicht widerstehen, griff zu und wurde dafür auf eine beeindruckende Art und Weise darüber belehrt, dass er das lieber nicht hätte tun sollen – 2/2!
Von diesem Sturmlauf gewarnt, entschloss sich Roberts Gegner der dritten Runde den „Franzosen“ mit der Abtauschvariante zu behandeln, weshalb sich ein schwermütiger Kampf entwickelte. Doch die Hoffnung des Gegners mit der gewählten Variante seinen elfjährigen Gegner „verhungern“ zu lassen, zerschlug sich sehr schnell, denn Robert baute sich ruhig auf, lavierte und biss im richtigen Augenblick zu. Damit war Robert plötzlich mit 3/3 Tabellenzweiter! 🙂
Am dritten Tag schien die Luft bei Robert raus zu sein, denn er verlor nicht nur eine gewinnträchtige Stellung, dieses Mal gegen einen „Franzosen“, sondern musste auch am Nachmittag die Waffen strecken, weil er einen taktischen Witz übersehen hatte.
Doch diese Schwächeperiode erwies sich als nur von kurzer Dauer, denn am Tag darauf, in den Runden sechs und sieben, kehrte Robert zu seiner alten Stärke zurück, demonstrierte im taktischen Schlagabtausch eine große Gelassenheit, die ihm den vollen Punkt einbrachte und am Nachmittag hätte er ein Bauernendspiel gewinnen können, nein, müssen, ließ aber den Gegner ins Remis entwischen und belegte mit 4,5/7 den lauernden 6. Platz.
Der letzte Turniertag sollte die Entscheidung bringen, ob Robert der Sprung aufs Treppchen gelingen sollte. Dazu hätte er jedoch in der 8. Runde unbedingt gewinnen müssen. Und es war nicht so, dass er es nicht versucht hätte, obwohl er erstmals mit dem „Modernen Pirc“ konfrontiert worden war. Doch alles Tun und Machen erwies sich letztlich als fruchtlos, sodass er nach wechselhaftem Spiel doch noch ins Remis einwilligen musste.
In der Schlussrunde bekam er es mit einem anderen Kind zu tun, das bis dato ebenfalls äußerst stark aufgespielt hatte und dem ein Platz auf dem Treppchen nicht mehr zu nehmen war. Es entstand ein spannender Kampf zwischen den beiden angehenden Meisterspielern, in dem Robert stets etwas in der Defensive verharren musste. Und wie das meistens so ist, wenn man stundenlang verteidigen muss, reichte ein Moment der Unachtsamkeit und Roberts Partie ging verloren, womit er das Turnier mit 5/9 und dem 11. Platz beendete. Eine wahrlich tolle Leistung! 🙂
B-Turnier:
Bei Zarko waren zwar die Voraussetzungen nicht gar so gut wie bei Robert, was nicht nur daran lag, dass sein Teilnehmerfeld wesentlich größer war, er hatte sich auch zwei Tage zuvor eine Mittelohrentzündung zugezogen. Ungeachtet dessen, ging er ehrgeizig ins Turnier und unterstrich abermals sein tiefes Spielverständnis.
Denn in den ersten drei Runden erspielte Zarko sich gleich drei (!!!) gewonnene Endspiele gegen nominell stärkere Gegnerschaft, zögerte aber entgegen seiner sonstigen Art zur sofortigen Gewinnverwertung anzusetzen, streute noch den einen oder anderen Sicherheitszug ein und musste sich anschließend mit drei Unentschieden in Folge begnügen. Dies gefiel ihm überhaupt nicht und er brannte förmlich darauf, eine entschiedene Partie vorweisen zu können.
In der vierten Runde war es dann endlich soweit. Scheinbar wollte der Gegner gleichfalls im Turnier in Fahrt kommen und setzte deshalb Zarko das „Morra Gambit“ vor, das meinem Großen in dieser Situation absolut entgegenkam. Er nahm es an, verteidigte sich geschickt und als er zum Gegenangriff ansetzte, da brach auch schon die Stellung von Weiß zusammen. 2,5/4, der 19. Platz und vor allen Dingen der erste Sieg ließen Zarko wieder strahlen! 🙂
Zur großen Überraschung in unserem Lager bekam Zarko in der 5. Runde nicht nur wieder Schwarz, sondern auch wieder das „Morra Gambit“ kredenzt. Doch dieses Mal spielte es der Gegner etwas anders, was Zarko leider zu spät wahrnahm, sodass es schon recht bald bei ihm auf f7 federte. Danach leistete er zwar noch einen verzweifelten Widerstand, der sich aber letztlich als unfruchtbar erwies und er daher im späten Mittelspiel die Waffen streckte – 2,5/5.
Trotz dieser Niederlage war Zarko an diesem Tag mit sich zufrieden, hatte er doch nicht nur eine, sondern sogar zwei entschiedene Partien erleben dürfen, wobei ihm ein weiterer Sieg zweifelsohne lieber gewesen wäre. 😉
Und von da an schien der Bann gebrochen zu sein, denn auch wenn sich Zarko in überwältigender Stellung in der 6. Runde einen Einsteller erlaubte, so bügelte er diese Niederlage gleich in der Runde darauf mit einem schönen Sieg in einem Turmendspiel wieder aus. Damit standen 3,5/7 zu Buche, was zwar weit von der Zielsetzung entfernt war, aber angesichts der eingangs erwähnten Voraussetzungen absolut in Ordnung war.
Am letzten Tag wollte er es noch einmal wissen und sprang seinen Gegner der 8. Runde in der Eröffnung förmlich an, doch hielt dieser stand! Zarko erhöhte den Druck und es hatte den Anschein, dass die schwarze Stellung jeden Moment zusammenbrechen müsste, doch der Gegner hielt stand! Mit dem Übergang ins Endspiel glaubte sich Zarko dem Sieg zum Greifen nahe, doch der Gegner hielt stand! Nach einem knapp fünfstündigen Kampf einigten sich die beiden Krieger auf ein gerechtes Remis.
Danach war Zarko komplett abgekämpft, sodass er, nachdem sich der Gegner mit Weiß die größte Mühe gegeben hatte, auf Vorteil zu verzichten und alles zu verschachteln, ein frühes Friedensangebot dankend annahm und so das Turnier mit 4,5/9 als Wertungsbester seiner Punktkategorie beendete. Und auch wenn er seine Krankheit nicht gelten lassen wollte, so war er doch durch diese stark eingeschränkt, weshalb diese Punkteausbeute durchaus als Erfolg zu werten ist. 🙂
A-Turnier:
Und da war ja noch ich. Nun, mein Turnier lässt sich kurz zusammenfassen, denn man kann sagen, dass ich in den ersten drei Tagen ein erbärmliches Bild ablieferte, während die letzten beiden Tage durch starkes Spiel, Ideenreichtum und leider auch Zeitnot gekennzeichnet waren. Dass mir bei dieser Aufteilung keine Katastrophe beschieden war, das führe ich auf pures Glück zurück, bin aber angesichts des Abschlusses des Turniers zuversichtlich, beim nächsten Turnier schneller auf der Höhe zu sein.
So kam es, dass ich in der ersten Runde einen nominell schwächeren Gegner im Endspiel knetete, bis dieser umfiel, was wahrscheinlich überhaupt nicht nötig gewesen wäre.
In der 2. Runde schien ich mit Schwarz alles im Griff zu haben und als ich zum Gegenschlag ausholte, da berechnete ich drei mögliche Springerrückzüge meines Gegners sehr weit und befand alle als gut für mich. Doch leider hatte ich den vierten Springerrückzug komplett übersehen, weshalb ich mit einer positionellen Ruine verblieb. Diese schliff mein Gegner die in einer äußerst beeindruckenden Manier bis auf die Grundmauern, sodass bereits in der zweiten Runde meine erste Niederlage besiegelt war – 1/2.
Als mir nach dieser Niederlage in der Runde darauf die „Russische Verteidigung“ vorgesetzt wurde, da wäre ich am liebsten aufgestanden und gegangen. Und weil ich auf dieses Geschiebe absolut keine Lust hatte, flüchtete ich mich erstmals in das „Vierspringerspiel“ und bewies auf eine beeindruckende Art und Weise, dass ich überhaupt nicht wusste, um was es da eigentlich ging – Ein Jugendlicher fragte mich nach der Partie ungläubig, ob ich das denn immer so zu spielen pflege? – und stand vom 5. bis zum 22. Zug schlechter bis auf Verlust. Doch dann geschah ein Wunder und mein Gegner stellte mit einem Zug die Qualität und die Stellung ein – 2/3!?
Am dritten Tag war es schon etwas besser, denn ich erreichte nicht nur solide bis bessere Stellungen, ich wusste auch in groben Zügen, wo ich eigentlich hin möchte. Während mir in der 4. Runde aufgrund ungenauer Behandlung des Endspiels ein Sieg zurecht verwehrt blieb, konnte ich in der Runde darauf in einem schönen Doppelturmendspiel den vollen Punkt verbuchen – 3,5/5.
Es keimte Hoffnung auf, dass es vielleicht doch noch ein gutes Turnier werden könnte, auch wenn die Voraussetzungen dafür nicht gerade berauschend waren. Denn in der 6. Runde bekam ich es mit einem ehrgeizigen Jugendlichen zu tun, der bis dahin so manchen FM in diesem Turnier das Fürchten gelehrt hatte. Er begann selbstbewusst mit 1. d4, wunderte sich im Verlauf der Eröffnung augenscheinlich über meine Zugfolge, die mir mehrere Optionen offen ließ und staunte Bauklötze, als er unvermittelt im „Holländer“ landete, hatte ich diesen doch das letzte Mal vor 22 Jahren auf dem Brett – Vorteil des Alters! 😉
Was danach kam, das war eine wirklich schöne Leistung von mir, in der ich lehrbuchartig meinen Vorteil vergrößerte und letztlich souverän in einen vollen Punkt verwandelte – 4,5/6.
Die Auslosung bescherte mir in der Runde darauf einen weiteren Jugendlichen, der sich offensichtlich auf die falsche Eröffnung vorbereitet hatte. Hier wollte er den Schaden möglichst gering halten, strebte immer wieder einen Entlastungsabtausch an, ohne dabei seine Probleme lösen zu können. Der Grund hierfür lag darin, dass ich an diesem Tag wirklich verdammt gut drauf war und eine meiner besten Leistungen seit Jahren aufs Brett brachte. Diese hätte es auch verdient, mit einem ganzen Punkt gekrönt zu werden, doch in meiner horrenden Zeitnot machte ich einen einzigen vorbeugenden Zug, der dem Gegner jene Verschnaufpause gönnte, sich mittels eines Qualitätsopfers ins Remis zu flüchten, was der junge Mann auch tat. Meine Enttäuschung war unbeschreiblich!
In den letzten beiden Partien ergab sich ein nahezu identisches Bild. Gute, beste, ja eigentlich schon gewonnene Stellungen vermochte ich scheinbar mühelos in Zeitnot ins Remis zu versauen, wobei besonders tragisch war, dass ich mir fest vorgenomen hatte, eine Zeitnot unbedingt zu vermeiden und daher gegen beide Gegner zwischenzeitlich bis zu einer halben Stunde Zeitvorsprung hatte. Aber … 🙁
Wie dem auch sei, 6/9, ein 14. Platz und sogar ein kleiner Geldpreis werfen ein schmeichelhaftes Bild auf mein Abschneiden, wobei ich inständig hoffe, dass ich die Leistung der letzten beiden Turniertage werde konservieren können, wäre so doch ein dritter schachlicher Frühling mehr als wahrscheinlich. 😉
Hier könnt Ihr Euch über das Turnier informieren und werdet vielleicht sogar Lust darauf bekommen, nächstes Jahr gleichfalls dabei zu sein. Wir drei zumindest haben das fest vor! 🙂
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