Achtelfinale der Deutschen Pokalmannschaftsmeisterschaft

Wir l(i)eben Schach

 

 

Als es am 7. März darum ging, sich ins ferne Bad Emstal aufzumachen, um die nächste Runde im Pokal zu bestreiten, da hätte man mancherorts unter den Kandidaten wahrscheinlich eine gewisse Zaghaftigkeit verspürt, erwarteten einen doch durchweg gegnerische Mannschaften, die bei der Aufstellung unter mindestens zwölf Großmeistern aussuchen durften. Uns war dieses Gefühl jedoch gänzlich fremd, weshalb wir uns freudigst gen Hessen aufmachten.

 

Das Los bescherte uns mit den Schachfreunden Deizisau einen Traumgegner, sollte uns doch die gefühlte deutsche Nationalmannschaft gegenübersitzen, was an jenem Tag wohl auch erforderlich war. Denn hätte man nicht gerade die Großmeister Blübaum, Heimann, Meier und Kollars entsandt, das Resultat wäre vermutlich ein anderes gewesen. So aber unterlagen wir nach einem spannenden Kampf deutlich, ohne dass das Ergebnis den Verlauf der Begegnung auch nur ansatzweise korrekt widerspiegelt.

 

 

Ursprünglich hatten wir vor, mit jenem Vierer anzutreten, der in der Runde zuvor in Stuttgart das Weiterkommen bewerkstelligt hatte. Doch leider machte uns, wie so oft in dieser Spielzeit, „Meister Zufall“ einen Strich durch die Rechnung, indem er uns zwang, ausgerechnet unseren „Großrechner“ Uli ersetzen zu müssen.

 

Eigentlich wäre dieser herbe Rückschlag vor dem Ausführen des ersten Zuges ein Grund gewesen, die Sache abzublasen, wenn wir nicht mit Mehran über einen weiteren Spieler verfügen würden, dessen Rechenkraft überragend ist. Der Charakter des Teams blieb damit quasi erhalten, weshalb wir, außer Mehran waren das noch Thomas, Zarko und meine Wenigkeit, uns frohgemut auf die Autobahn begaben, um Schachgeschichte zu schreiben.

 

Trotz meines Fahrstils und des Beschäftigens mit Thomasens Variante im „Spanier“ kamen wir derart rechtzeitig an, dass wir uns nicht nur mit Speis und Trank zu stärken vermochten, wir hatten auch noch ausreichend Zeit, uns die Beine zu vertreten und dabei reichlich Sauerstoff zu tanken.

 

Mit einem derart „getunten“ Gehirn begaben wir uns in den Spielsaal, wo uns schnell klar wurde, dass wir nach wie vor in Caissas Gunst standen, bekamen wir doch die SF Deizisau zugelost. Herrlich! 🙂

 

Mehran und ich durften an den Brettern vier bzw. eins mit Weiß gegen GM Kollars bzw. GM Blübaum dafür sorgen, den Bundesligisten frühzeitig unter Druck zu setzen, während Thomas (gegen GM Heimann) und Zarko (gegen GM Meier) sich mit den schwarzen Steinen eher aufs Kontern verlegen wollten. Soweit zumindest der Plan, der uns eine weitere Partie in diesem Wettbewerb bescheren sollte.

 

Und mit dem Andrücken der Uhren wurden Ereignisse in Gang gesetzt, die, wären sie im Internet übertragen worden, dafür gesorgt hätten, dass man in der Schachwelt unsere Namen mit großer Ehrfurcht ausgesprochen hätte. Denn Thomas erhielt zufälligerweise, im Pokal kann man beliebig aufstellen, sodass eine Vorbereitung nahezu unmöglich ist, just jenen komplizierten „Spanier“ aufs Brett, über den er auf der Hinfahrt gefühlt ein Buch geschrieben hatte. Gemessen an diesem Wissen erschien jenes des Großmeister eher beschaulich, denn er musste früh nach dem richtigen Weg suchen, was ihm zunächst auch gelang.

 

Auch Zarko schien sich sichtlich wohlzufühlen, denn seine Behandlung des „Katalanen“ ließ den erfahrenen Gegner nicht nur rechnen, unser „Mr. 100%“ in zwei Spielzeiten der Regionalliga suchte offenbar auch schon nach Möglichkeiten, die Initiative frühzeitig an sich zu reißen.

 

Spätestens beim Blick auf Mehrans Brett konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ich alles nur trämen, jeden Moment der Wecker klingeln und ich mich aufmachen würde, um meine Kameraden zum Pokalspiel abzuholen. Nicht der Großmeister spulte routiniert die Eröffnung herunter, sondern unser Mehran, der nach etwa zehn Zügen sogar über mehr Zeit als zu Beginn der Partie verfügte. Welch willkommene Abwechslung zu seinem ansonsten ausgeprägten Hang zur Zeitnot. Einfach unglaublich!

 

All das konnte ich gemütlich anschauen, denn mein Gegner nahm sich bereits für den ersten Antwortzug eine gewisse Auszeit. Als dann nicht „Französisch“, sondern „Caro-Kann“ aufs Brett kam, da entschloss ich mich, in meine Mottenkiste zu greifen und ihm eine nicht gerade alltägliche Variante zu kredenzen. Diese schien ihm nicht ganz zu schmecken, denn er prüfte alles genau und nahm sich die entsprechende Zeit dafür.

 

Wäre ich doch nur ebenso verfahren, ich hätte die Feinheiten der Stellung, zumindest darf ich mir das einreden, erfasst, hätte den angemessenen Plan ausgepackt und damit die Pein des Großmeisters erhöht. Stattdessen spielte ich so vor mich und begriff nach meinem 14. Zug selbst mit meinem begrenzten schachlichen Verständnis, dass etwas schiefgelaufen war. Wie sehr, dessen wurde ich jedoch erst gewahr, als Thomas gerade in jenem Augenblick an mein Brett trat. Ein Mann, der reich an Lebenserfahrung und in vielen Turnieren gestählt ist, vermochte in den Augen das blanke Entsetzen nicht verbergen, dass ich, mit meinem fidemeisterlichen Weitblick gesegnet, soeben 14. Sg3-h1 gezogen hatte!

 

Gut, meine Perspektiven waren vielleicht nicht gerade erbaulich, aber endlich formierte sich so etwas wie ein Plan in meinem Gehirn. Dies und der Umstand, dass das Spitzenbrett, vor allem in Pokal, wie die französische Garde, die bekanntlich stirbt, aber sich nicht ergibt, vorzugehen weiß, rammte ich die Ellenbogen in den Tisch und ließ mich in der Folge auch nicht davon beirren, dass sich immer mehr Spieler anderer Vereine an meiner Stellung weideten.

 

Zwischenzeitlich war die Zeit an den anderen Brettern keineswegs stehengeblieben. Während sich Thomas immer noch in der häuslichen Arbeit wusste – Fleiß zahlt sich eben doch aus! -, hatte Zarko einem spontanen Einfall folgend zum Angriff geblasen, wofür er vorübergehend einen Bauern investierte. Das heißt, Zarko meinte nur, dass das Opfer vorübergehender Natur sei, doch beschlichen ihn vermutlich zunehmend Zweifel, als sein Gegner in tiefes Nachdenken verfiel. Nur bei Mehran schien die Zeit stillzustehen, denn er suchte nach der besten Fortsetzung, wofür er an die vierzig Minuten investierte, bevor sein Körper Bewegungsenergie aufbringen musste.

 

Tatsächlich sollte sich in der Folge Zarkos Vorgehen als zu optimistisch entpuppen, denn als nach längerer Pause die ersten Züge aufs Brett kamen, da sah man deutlich, worauf mein Großer noch hätte achten sollen. Immer tiefer drangen die weißen Figuren in seine Stellung, sodass ihm letztlich nichts anderes übrigblieb, als die Waffen zu strecken – 0:1.

 

Wer jetzt denkt, der Kampf wäre hier gelaufen, der irrt gewaltig. Immerhin hatten wir noch drei Eisen im Feuer. Thomas stand nach wie vor mehr als ordentlich, Mehran hatte eine Stellung auf dem Brett, in der seine gewaltige Rechenkraft zum Tragen kommen konnte, und selbst ich gab wieder erste Lebenszeichen von mir.

 

Mein Gegner hatte wohl nach meiner grandiosen Behandlung der Eröffnung gedacht, dass ich bei schlichtem Fortgang der Partie die erstbeste Gelegenheit ergreifen würde, um Selbstmord mit Anlauf zu begehen, weshalb er seinen Zügen nicht den nötigen Nachdruck verlieh. So stand ich zwar gedrückt, aber doch mit mehr Spiel versehen, als allgemein nach meinem 14. Zug erwartet worden war. Und plötzlich drehte sich das Blatt!

 

Apropos drehen, selbiges geschah leider auch an den anderen beiden Brettern. In guter Stellung, zumindest hatte er wahrlich nichts zu befürchten, erlag Thomas einem „trägen Abbild“, verschmähte entsprechend die richtige Fortsetzung und geriet auf die Verliererstraße. Dies ließ sich der erfahrene Gegner nicht mehr nehmen und baute die Führung des Bundesligisten aus – 0:2.

 

Bei Mehran war es nicht minder unnötig! Lange Zeit hatte er auf Augenhöhe mit dem Großmeister die Klingen gekreuzt, ehe er seiner Rechenkraft zum Opfer fiel. Er hatte schlichtweg ungemein viel gesehen, berechnet und war daher in Zeitnot gekommen. Selbst hier spielte er wirklich gut, ließ sogar die Möglichkeit eines Dauerschachs aus und musste sich schließlich ins Unvermeidliche fügen – 0:3.

 

Verblieb damit nur noch ich, wenigstens etwas Zählbares für die Mannschaft zu holen. Wäre ein anderer meiner Kameraden an meiner statt gewesen, dies wäre zweifelsohne auch gelungen. Doch ich ließ nicht nur mit spielerischer Leichtigkeit die Möglichkeit aus, meinen Vorteil festzuhalten, ich wusste nach etwa sechs Stunden Spielzeit auch gekonnt, eine ausgeglichene Stellung zielsicher zur Niederlage zu führen – 0:4.

 

Jetzt hätten wir eigentlich die Heimreise antreten können, wenn ich nicht noch unbedingt einen weiteren Blick – eine kurze Analyse mit meinem Gegner hatte ich schon gehabt. – auf meine Partie hätte werfen wollen. Wie selbstverständlich gesellte sich mein Gegner dazu und so kam es, dass ein weiteres Stündchen in netter Atmosphäre angehängt wurde. Einfach toll!

 

Da machte es auch nichts aus, dass im Anschluss mehrere Stunden Heimfahrt anstanden, denn der letzte Eindruck überwog, verlieh mir als Fahrer zusätzliche Energie und weckte in der Mannschaft den Wunsch, unbedingt wieder gegen diese „Gewichtsklasse“ anzutreten. Ob dieser hehre Wunsch in Erfüllung gehen wird, das wird die werte Leserschaft an dieser Stelle erfahren.

 

 

Fazit:

 

Es wäre anmaßend zu behaupten, wir seien dem Vierer aus Deizisau ebenbürtig gewesen, aber es war auffällig, dass wir wirklich dagegengehalten hatten, uns aber in den entscheidenden Momenten das fehlte, was unsere Gegner offensichtlich in Überfluss hatten, nämlich Zähigkeit und einen ausgeprägten Siegeswillen. Daran werden wir arbeiten und damit hoffentlich den Aufstieg in der Liga schaffen.

 

 

 

 

 

 

 


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