Zwischen den Welten
In Ermangelung eines Qualifikationsturnieres auf Bezirksebene Dank „Tante Corona“ sah sich der Spielleiter Schwabens genötigt, Spieler für die Bayerische zu nominieren, weshalb er die dem Verband angeschlossenen Vereine anschrieb und um die Nennung spielwilliger Kandidaten bat.
Die Zahl der bei ihm daraufhin eingegangenen Antworten war überwältigend, meldeten sich doch mit Zarko und mir gerade einmal zwei Spieler, wobei ich aufgrund anderer Verpflichtungen hatte absagen müssen.
Deswegen fuhr Zarko alleine ins idyllische Rosenheim, wo er die Farben der Schachfreunde vertreten sollte. Eigentlich keine schlechte Wahl, aber irgendwie ließ Zarko seine ihm eigene Härte und Effizienz vermissen, sodass er am Ende im geschlagenen Mittelfeld landete.
Gestählt durch etliche Partien im Blitzschach und vor allem im „Bullet“ und mit einer bis dato hervorragenden Saison im Rücken, machte sich unser Zarko gen Süden auf, um möglichst an jene Erfolge anzuknüpfen, die ihm vor der Unterbrechung durch „Corona“ vergönnt waren.
Auf eine entspannte Anfahrt, folgte das Belegen eines schönen Zimmers, bevor unmittelbar danach die Eröffnung der Landesmeisterschaft zelebriert wurde. Nach einer für Schachspieler erfreulich kurzen Ansprache wurden sogleich die Paarungen veröffentlicht und es ging los. Zu diesem Zeitpunkt ahnte unser Topmann noch nicht, dass ihn dieses Turnier zu einer nie gekannten Nachdenklichkeit anregen würde.
Diese sollte in den ersten beiden Runden noch auf sich warten lassen, denn wenngleich er in beiden Partien lange auf keinen großen oder wenigstens nennenswerten Vorteil hatte pochen können, so wusste er doch mit seiner an Perfektion grenzenden Technik derart zu überzeugen, dass er sich mit 2/2 unvermittelt in der Spitzengruppe befand.
Die dritte Runde sollte jedoch für eine unerwartete Zäsur sorgen. Voller Tatendrang und mit einem gesunden Selbstvertrauen gesegnet ging es gegen einen alten Bekannten, der dieses Mal jedoch seine Hausaufgaben in vorbildlicher Art und Weise gemacht hatte, weshalb Zarko aus der Eröffnung heraus auf die Verliererstraße geriet. Dies wäre noch irgendwie zu verkraften gewesen, doch als sich in der Analyse herausstellte, dass der Gegner in vielen Varianten die Theorie weiter kannte, da war die Not groß – 2/3
Entsprechend angeschlagen beschloss Zarko, ganz der guten, alten „Sowjetschule“ folgend, sich ein kleines Erfolgserlebnis und vor allem Zeit, die für dringend benötigte „Reparaturarbeiten“ notwendig war, zu sichern und streute gegen den späteren Vizemeister ein schnelles Remis ein – 2,5/4.
Die Vorbereitung auf die fünfte Runde ging über das „rote Telefon“, was heißt, dass die in Augsburg verbliebenen ca. 7000 DWZ-Punkte der Familie Vuckovic voll in die Waagschale geworfen wurden. Dies sollte sich auch als besonders fruchtbar erweisen, denn die Eröffnung ging dieses Mal klar an unseren Matador. Wäre er nun in seinem üblichen Modus gewesen, er hätte den groben Fehler des Gegners sofort erkannt. So jedoch vergab er den Gewinnweg, steuerte stattdessen zielstrebig in einen Angriff des Gegners und verlor deutlich – 2,5/5.
Während Zarko nach dieser Partie merklich angeschlagen war, verlieh dieser Sieg seinem Gegner einen großen Auftrieb, der ihn nach neun Runden zur Bayerischen Meisterschaft führen sollte. Herzlichen Glückwunsch an Philipp Müller vom SK Rochade Augsburg; sein Bericht!
Die zweite Niederlage, zudem mit Weiß nach gelungener Eröffnung, ließ Zarko angeschlagen zurück, der sich in den nächsten beiden Runden zwar ergebnistechnisch merklich verbesserte, indem er beide Partien gewann, jedoch nicht mehr über jene Unbekümmertheit verfügte, die nötig ist, um ganz vorne zu landen – 4,5/7.
Wie sehr dies der Fall war, das konnte man in den Schlussrunden erkennen, wo er beide Male zunächst unter Druck geriet und sich vorbildlich dessen entledigte, nur um dann einzügig zum Verlust abzuwickeln – 4,5/9.
Fazit:
Ein Turnier nach einer derart langen Pause hat Zarko überaus gefallen, wenngleich ihm ein anderes Abschneiden wesentlich lieber gewesen wäre. Aber das Leben ist bekanntlich kein Wunschkonzert und die Erkenntnis, dass sich die virtuelle Welt nicht auf die reale einfach übertragen lässt, sorgte für eine große Ernüchterung. Ungeachtet dessen ist er nach wie vor einer unseren stärksten Spieler, der sich zweifelsohne demnächst wieder zurückmelden wird.
Alle Ergebnisse und Tabellen findet man auf der Seite des Bayerischen Schachbundes, wo man zudem interessante Beiträge zur aktuellen „Corona-Diskussion“ lesen kann. Viel Spaß dabei. 🙂
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