Chemnitzer Turm Open 2014

Zu Besuch bei Freunden

 

Angesichts der Beobachtungen hinsichtlich der Folgen mangelnder Turnierpraxis, die ich beim letzten Mannschaftskampf habe machen müssen und an der ich gleichfalls leide, entschloss ich mich, dem vorzubeugen und ein Turnier mitzuspielen. Dabei fiel meine Wahl selbstverständlich auf das Chemnitzer Turm Open, denn zum einen erlebte dieses in diesem Jahr die nunmehr 18. Auflage, also quasi die Volljährigkeit, und zum anderen muss man sehr lange suchen, bis man ein Turnier findet, in dem die sportliche Herausforderung vorhanden und die reibungslose Durchführung gewährleistet ist, wobei der familiäre Charakter der Veranstaltung gewahrt bleibt.

 

Trotz dieser hervorragenden Voraussetzungen blieb mir der Sprung aufs Treppchen wieder einmal versagt, aber dennoch wage ich die 5/7 und den 6. Platz als sportlichen Erfolg zu werten, durfte ich doch gleich gegen drei der fünf anwesenden Großmeister antreten.

 

Die ersten drei Runden verliefen für mich überraschend entspannt, denn die Gegner landeten alle ziemlich zielstrebig in jene Stellungen, die ich gerne auf dem Brett habe und die ich zu behandeln weiß. Zumindest besser als sie es zu tun vermochten, sodass ich recht mühelos zu 3/3 aus kam.

 

In der 4. Runde traf ich auf jenen jungen Mann aus Zwickau, der mir in der vorherigen Runde am Nebenbrett aufgefallen war, als er gegen einen etwas älteren IM scheinbar mühelos ein Remis erzielt hatte.

Doch nach nur wenigen Eröffnungszügen erhielt ich die Gelegenheit, ihm nicht nur seine Bauernstruktur empfindlich zu schwächen, er musste auch sehr darauf bedacht sein, an der Tatenlosigkeit seines Läufers – ich hatte dafür einen guten Springer – nicht zugrunde zu gehen. Entsprechend zufrieden war ich mit mir und der Stellung und wähnte mich davor gefeit, das Schicksal des IMs zu teilen.

Allerdings musste diese Zufriedenheit schon bald blankem Entsetzen weichen, als ich dessen gewahr wurde, dass mein gefasster Plan vollkommen daneben war – Wer kennt das nicht? -, ich dadurch im höheren Sinne sieben (!!) Züge lang ausgesetzt hatte und mich plötzlich auf eine lange und zähe Verteidigung gefasst machen musste. Es wurde auch ein entsprechendes Ringen, das just dann zu meinen Gunsten entschieden wurde, als mein Gegner in Erwartung des Sieges zu forsch agierte. Damit durfte ich mir, wenn auch ziemlich glücklich, meinen vierten Punkt eintragen lassen – 4/4.

 

Die anschließende Runde bescherte mir Schwarz gegen GM Meijers, der schon zweimal meinem „Drachen“ mit dem „Maroczy“ auf den Zahn gefühlt hatte. Aber anscheinend hatte ihm etwas nicht gefallen, denn unvermittelt sah ich mich mit einem „Engländer“ konfrontiert und witterte eine entdeckte Lücke in meinem tollen Repertoire, weshalb ich spontan auf Zarkos Erwiderung in solchen Fällen zurückgriff – Kinder sind einfach toll! 🙂 -, um damit für annährend gleiche Bedingungen zu sorgen.

Leider hatte ich das betreffende System nicht so gut verstanden, weshalb mir ein erhoffter Angriff verwehrt blieb und ich mit einer etwas beengten, aber festen Stellung vorlieb nehmen musste. In dieser musste ich lange unter Beweis stellen, dass ich sie auch wirklich zu halten vermag, wollte sich doch mein Gegner die Gelegenheit nicht leichtfertig entgehen lassen, gegen einen FM zu gewinnen, während seine Kollegen sich an den nachfolgenden Brettern die Punkte gegenseitig wegnahmen. Doch trotz aller Bemühungen konnte er nicht durchdringen, weshalb eine Punkteteilung die logische Folge war – 4,5/5

 

Von meiner Partie gegen Meijers ziemlich frustriert, dass ich nie auch nur den Hauch einer Siegchance gehabt oder ihn wenigstens in Bedrängnis zu bringen vermocht hatte, wollte ich in der 6. Runde eine echte Kampfpartie abliefern. Entsprechend zufrieden, ja beinahe innerlich frohlockend, war ich, als GM Rausis auf mein 1. e4 auf die „Caro-Kann-Verteidigung“ zurückgriff. Quasi a tempo holte ich den „Panow-Angriff“ heraus, nur um einige Züge später überrascht in einen Gegenangriff zu geraten. Ohne jedwede Kenntnis dieser Variante und unbelastet vom Verständnis für die konkrete Stellung wählte ich mit einer unglaublichen Sicherheit den Weg ins Endspiel und damit in den unvermeidlichen Untergang. Daran konnte auch der Umstand nichts ändern, dass ich nicht gerade über ein Glaskinn verfüge, sodass ich nach ca. zwanzig weiteren,, eigentlich überflüssigen Zügen, die Kapitulation unterschreiben musste – 4,5/6.

So unbefriedigend und enttäuschend die Partie verlaufen war, so erbaulich und lehrreich erwies sich die anschließende Analyse. Hier trat zutage, dass angesichts des großen Unterschiedes in der Spielauffassung jedes andere Ergebnis als meine Niederlage ein purer Zufall gewesen wäre, das das Leistungsverhältnis verzerrt wiedergegeben hätte.

 

Die Schachgöttin meinte es jedoch gut mit mir, sodass ich zur letzten Runde wieder mit Weiß gegen einen Großmeister antreten durfte. Dieses Mal sollte es der junge GM Pap aus Ungarn sein, der oft und gerne die „Französische Verteidigung“ spielt und sich nur selten des „Sizilianers“ bedient. Für beide Möglichkeiten legte ich mir etwas zurecht, weshalb ich nach 1. e4 c5 nicht in tiefes Grübeln verfiel, sondern souverän den ersten „Grand-Prix-Angriff“ meines Lebens aufs Brett zauberte, womit wieder gleiche Bedingungen herrschten. Oder besser: hätten herrschen sollen. Denn der junge Mann kam recht bald vom richtigen Pfad ab und geriet in eine nahezu hoffnungslose Lage.

 

Doch nun, sozusagen in der Verwertung, trat eine weitere Schwäche bei mir hervor, die typisch für Spieler mit einer geringen Turniererfahrung ist, nämlich die geringe Rechenkraft bzw. -tiefe. Hatte ich mich davor bekannter Pläne und Stellungsbilder bedienen können, so glühte ich ob der vielen zu berechnenden Varianten förmlich durch, verschenkte einen Vorsprungan Material und an Bedenkzeit von bis zu 40 Minuten, nur um den Weg zum Verlust zu finden. Doch dessen waren wir uns zu diesem Zeitpunkt beide nicht bewusst, zu sehr war bei beiden die Gewissheit verankert, dass Schwarz ums Überleben kämpft.

Und wenn man nicht weiß, dass man gut steht, dann verteidigt man sich eben, was mein Gegner auch tat, und da ich meinen Vorteil mittlerweile verschenkt hatte, landeten wir plötzlich in einem Damenendspiel, das wir angesichts knapper Bedenkzeit nicht zu Ende spielen wollten, wenngleich uns für jeden Zug 30 Sek. gutgeschrieben worden wären („Fischer-Modus“). Allerdings war da die Stellung auch schon wieder tatsächlich im Gleichgewicht, weshalb auch angesichts des wechselhaften Verlaufs die Partie eigentlich keinen Sieger verdient hatte – 5/7.

 

Auch wenn das Turnier schachlich nicht der große Griff war, so rechtfertigen das sportliche Ergebnis – hier geht es zur Turnierseite -, die gesammelte Praxis und der beinahe urlaubshafte Charakter der Veranstaltung die Teilnahme. Lediglich etwas betrüblich war, dass ich am Rande erfahren musste, dass man gedenkt, dieses Turnier aufgrund rückläufiger Teilnehmerzahlen einzustellen. Ich hoffe, dass dem nicht wirklich so sein wird und dass wieder mehr Spieler den Weg nach Chemnitz finden werden. Zumindest ich möchte auch im nächsten Jahr in die sächsische Metropole fahren und hoffe, dass sich noch mehr Spieler dorthin aufmachen werden.


Kommentare

Eine Antwort zu „Chemnitzer Turm Open 2014“

  1. Glückwunsch, Alex.

    Der 6. Platz ist doch super.
    Und die Partie gegen GM Meijers war wirklich großartig verteidigt.

    Das nächste Turnier wird bestimmt (noch) besser !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert