Jussupow Schachakademie

Ein sehr schöner Tag

 

 

Offiziell wollten mir meine Vereinskameraden mit dem Schenken einer längeren Trainingseinheit eine Freude machen und sich für meinen Einsatz innerhalb des Vereins bedanken, doch fürchte ich, dass sie schlichtweg genug von meinen permanenten Fehleinschätzungen in einem bestimmten Stellungstyp hatten, weshalb ihnen eine Fortbildung bitter nötig erschienen war.

 

Aus diesem Grund schickten sie mich nach Weißenhorn zu GM Artur Jussupow, der mit seinem immensen Sachverstand und seiner unnachahmlich freundlichen Art meinen schachlichen Horizont erweitern sollte. Inwieweit ihm das bei mir gelungen ist, das werden die nächsten Partien zum Thema „Isolierter Bauer“ zeigen, doch soviel steht jetzt schon fest, nämlich dass ich unvergessliche Stunden habe verleben dürfen, wofür ich allen Schachfreunden danke! 🙂

 

 

Schon die Hinfahrt mit dem Zug war vielversprechend, denn um die Reisezeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, hatte ich mir passend zum Motto des Tages Schachhefte meiner Schützlinge mitgenommen, um diese während der Fahrt zu korrigieren. Entsprechend abgelenkt war ich dann auch und als die Haltestelle „Weißenhorn …“ ausgerufen wurde, da packte ich hektisch meine sieben Sachen und stieg aus.

 

Auf dem Bahnsteig musste ich doch sehr verwirrt dreingeblickt haben, denn eine Person nahm sich meiner an und wollte wissen, wohin ich den wolle. Ich erklärte mich und erfuhr im Gegenzug, dass ich in einem Weißenhorner Ortsteil ausgestiegen sei und sich mein Ziel etwa vier Kilometer entfernt befinde. Klasse!

 

Da die Zeit drängte, legte ich einen flotten Spaziergang hin, der so manchen Jogger vor Neid hätte erblassen lassen, und erblickte zur Belohnung alsbald die herrlichen Tore der kleinen Fuggerstadt. Dort angekommen machte ich den Fehler, nach dem Weg zu fragen. Zwar wurde mir abermals eine große Hilfsbereitschaft entgegengebracht, aber leider wurde an der entscheidenden Stelle rechts mit links verwechselt, sodass ich mich am vermeintlichen Ziel irgendwo widerfand.

 

Um einer Vermisstenanzeige durch den wartenden Trainer vorzubeugen, beschleunigte ich meinen ohnehin schon beachtlichen Schritt und begab mich schnurstracks in das nächste Geschäft, um mich nach dem Weg zu erkundigen. Doch kaum dass ich das Geschäft betreten hatte, da fiel mir nicht nur eine junge Frau in einem weißen Kleid auf, der eine Dame mittleren Alters gegenüberstand, auch eine mir entgegeneilende weitere Frau erregte umgehend meine Aufmerksamkeit. Letztere sprach mich mit den Worten an, dass ich die Braut nicht sehen dürfe, was bei mir zur zweiten Verwunderung des Tages führte.

 

Als dann alle Missverständnisse beseitigt waren und alle glaubhaft versichern konnten, dass es sich bei mir nicht um den entsprechenden Bräutigam handele, da wurde mir seitens der Verkäuferin nur allzu gerne geholfen, sodass ich nur wenige Minuten danach, aber mit einer deutlichen Verspätung, vor dem Haus mit der richtigen Adresse stand.

 

Auf mein Klingeln hin wurde mir freundlich geöffnet, ich wurde anschließend mit ausreichend Flüssigkeit versorgt, GM Jussupow und ich begaben uns in den Trainingsraum und von da an tauchten wir in diese wundervolle Welt ein, die mich seit nunmehr 34 Jahren als Vereinsschachspieler fasziniert. Es wurde erklärt, es wurden Fragen beantwortet und manchmal gar diskutiert.  Das Ganze mit einer solchen Konzentration und Kurzweiligkeit, dass ich mich irgendwann zu fragen begann, wie es denn sein könne, dass sich mein Magen nach einem guten Frühstück derart penetrant Gehör zu verschaffen versuchte.

 

Nun, ein Blick auf die Uhr verriet, dass mittlerweile mehrere Stunden vergangen waren und sich das Training dem Ende neigte. Mein Bedauern darüber war ungemein groß, hätte ich doch auf diese Art und Weise, eine kleine Stärkung vorausgesetzt, locker noch einmal soviele Stunden verbringen können.

 

Aber der Unterricht war vorbei, wobei sich  mir gleich die Gelegenheit bot, mich als aufmerksamer Zuhörer zu präsentieren, denn ich folgte der ersten Empfehlung, wenngleich kulinarischer Art, und besuchte ein Speiselokal. Sollten sich alle Ratschläge als so gut erweisen, wie es die Mahlzeit im Restaurant war, und mir die Umsetzung gleichfalls so prompt gelingen, mein Weg zum Großmeister wäre unwiderstehlich.

 

Die Rückfahrt verlief gemessen an der Hinfahrt nahezu langweilig und die einzigen beiden Dinge, die am Ende eines langen und anstrengenden Tages blieben, das waren eine gewisse Müdigkeit bzw. eine große Wehmut darüber, nicht öfter das Vergnügen zu haben, mit GM Jussupow zu trainieren. Aber was noch nicht ist, das kann ja noch werden.

 

Ruhigen Gewissens kann ich nur empfehlen, sich bei größeren Problemen nach Weißenhorn zu begeben und sich die ein oder andere Trainingseinheit zu gönnen. Allen die das zu tun gedenken, wünsche ich schon jetzt viel Spaß dabei, bitte aber darum, an der richtigen Stelle aus dem Zug zu steigen! 😉


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