Kein guter Abend
An das ausgesprochen wichtige Spiel gegen die zweite Auswahl des SC Lechhausen wurden große Hoffnungen geknüpft, bestand doch nicht nur die Möglichkeit, mit einem Erfolg zwei weitere Zähler in Richtung Aufstieg zu sammeln, sondern sich zugleich eines hartnäckigen Mitkonkurrenten zu entledigen.
Als ein solcher präsentierten sich die Lechhauser, indem sie nicht nur alles aufboten, was ihnen zur Verfügung stand, sie lieferten uns auch einen harten Kampf, dessen kritische Augenblicke sie mit Zähigkeit, starker Moral und gütiger Mithilfe der Gegner zu umschiffen vermochten und letztlich denkbar knapp für sich entschieden. Damit ist die Tabelle noch unübersichtlicher geworden, sodass vermutlich überall dieselbe Anweisung für die letzten Runden ergehen dürfte: „Siegen, siegen und nochmals siegen!“.
Zum wiederholten Male musste die Mannschaft auf die wertvolle Unterstützung unseres „Tals in der Westentasche“, sprich unseres Pauls, verzichten, dessen Fehlen stets eine große Lücke im Team hinterlässt. Dafür rückte mit Erich ein zusätzlicher Routinier in den Achter, was auch die einzige Veränderung darstellte, denn Alexander R., Behzad, Elisha, Gunter, Katarina, Mehran und Werner hatten bereits fest zugesagt.
Im Pfarrheim St. Simpert angekommen, mussten unsere Recken feststellen, dass die Gegner zwar nicht in Bestbesetzung dafür aber ersatzgestärkt in diese Begegnung gingen. Denn am achten Brett nahm ihr Neuzugang, in Personalunion die aktuell nominelle Nummer zwei des Vereins, Platz, was glücklicherweise ausgerechnet Behzad traf, der damit eine weitere Gelegenheit erhielt, seine bestechende Form unter Beweis zu stellen.
Mit dem Andrücken der Uhren prallten zwei Mannschaften aufeinander, denen man es genau anmerkte, dass jede der beiden den Sieg davontragen wollte. Ein Wille, der sich bei unserem Achter zunächst ausgeprägter manifestierte, was man an der Wahl der Eröffnungen bzw. Varianten ersehen konnte. So sprang Mehran seinen Gegner mit dem Schottischen Gambit an, Alexander R. wählte den Sizilianer und gab mit der Asymmertrie gleich zu verstehen, dass Remis für ihn keine Option ist, Katarina behandelte als Verteidigerin den „Abtauschfranzosen“ forsch, Werner drückte mit dem eingeübten System frühzeitig, Elisha schloss sich Alexander R. an, während Gunter und Erich auf die kontrollierte Offensive zurückgriffen. Lediglich Behzad hatte mit dem Morra Gambit eine „Giftpille“ vorgesetzt bekommen, ohne das „Gegengift“ zu kennen, weshalb er sich alles am Brett erarbeiten musste..
Der Kampf tobte, als nach etwa eineinhalb Stunden moralische Unterstützung für unsere Helden, denn unabhängig vom Ausgang der Saison, hat diese Mannschaft bis dato bereits ungemein viel geleistet, sodass sie sich diese Anrede überaus verdient haben, eintraf, indem Andreas und ich das Spiellokal betraten. Mit R. Bendel vom SK Friedberg war sogar ein weiterer spielstarker Zuschauer zugegen, dessen Herz für unsere Dritte schlug. Was sollte jetzt noch schiefgehen?
Offensichtlich viel, wobei ausgerechnet meine Tochter Katarina und mit 4/4 die eifrigste Punktesammlerin der Truppe den Anfang machte. Sie hatte die Symmertrie frühzeitig aufgehoben, dem Gegner erbarmbungslos ihr Spiel aufgedrückt und nach dem geeigneten Einstieg in des Gegners Ruine gesucht. Dieser bestand in dem Feld f4, das, von einem Springer besetzt, den baldigen Zusammenbruch der letzten Bemühungen des Weißen bewirkt hätte. Allerdings wollte es unserer Amazone partout nicht gelingen, den richtigen Plan zu finden, zu sehr lockte ein Qualitätsgewinn, weshalb sie bei der Qualität zubiss und in ein Dauerschach lief. Der Gegner strahlte danach, als hätte er unter Damenopfer gewinnen dürfen – 0,5:0,5.
Damit nicht genug, denn Werner, bis zu unserem Eintreffen sich streng auf dem Pfad der Tugend befindend, wollte unvermittelt aus einer besseren Stellung heraus das Remis forcieren, wozu er eine eherne Regel brach: „Tausche niemals um jeden Preis!“. Er gruppierte um, nahm diverse Nachteile in Kauf, die sich zu einer schlechteren Stellung aufsummierten und blickte plötzlich einer Niederlage entgegen. Diese wollte ihm der Gegner jedoch nicht angedeihen lassen, entließ unseren „Bergsteiger“ aus der „Haft“ und es bestand wieder berechtigte Hoffnung auf einen halben Punkt. Doch unser Werner lässt sich bekanntlich nichts schenken, weshalb er die nächste sich bietende Gelegenheit nutzte, um „Selbstmord mit Anlauf“ zu begehen – 1,5:0,5 aus der Sicht der Lechhauser.
Ein ähnliches Schicksal ereilte Erich, der anfangs gleichfalls alles richtig gemacht hatte. Gut, das war auch angesichts des ambitionslosen Aufbaus des Gegners nicht weiter schwer, aber dennoch ist es schön, wenn man sieht, dass zumindest die Eröffnungsarbeit als abgeschlossen angesehen werden kann. Dann jedoch, von der Passivität des Gegners förmlich angestachelt, wollte Erich mit einem Mal zuviel, zog den falschen Springer und büßte diesen alsbald ein. Die anschließenden Züge lassen sich unter „Frust“ zusammenfassen, gab es doch nichts mehr zu bestellen, was der Lechhauser eindrucksvoll untermauerte – 2,5:0,5 aus der Sicht der Lechhauser.
Dieser Zwischenstand bietet in der Regel selten einen Grund zum Optimismus, was hier jedoch anders war, denn es kämpften ja noch alle „Ledernacken“, die unabhängig von der Stellung erst mehrfach bezwungen werden müssen, ehe sie tatsächlich die Waffen strecken. So hatten Gunter mit einer Minusfigur für zwei Bauern und Elisha mit Minusbauern im Schwerfigurenendspiel alles andere als blendende Aussichten, doch machten sie den Gegnern das Leben sehr schwer. Und Mehran, Alexander R. und Behzad standen gut, wobei gerade unser achtes Brett stolz darauf sein durfte, war es ihm doch gelungen, viele Klippen zu umschiffen.
Dass diese Einschätzung nicht bloßes Wunschendenken der Zuschauer war, das demonstrieren die nachfolgenden Ereignisse, die sich in den entsprechenden Ergebnissen widerspiegelten. Denn Mehran, der Junge spielt es zurzeit einfach unglaublich gut, hatte einer zwischenzeitlichen Auszeit zum Trotz einen unwiderstehlichen Weg zum Sieg gefunden, den er mit beiden Händen festhielt. Auch Alexander R. behielt in unübersichtlichster Stellung alles im Blick, nutzt jeden Fehler des Gegners gnadenlos aus und sackte gleichfalls einen vollen Zähler ein – 2,5:2,5.
Hinzu kamen die zuvor erwähnten Nehmerqualitäten Gunters und Elishas, die die Gegner dermaßen zur Verzweiflung trieben, dass sie, den jeweils sicher geglaubten Sieg vor Augen habend, zähneknirschend in je eine Punkteteilung einwilligen mussten – 3,5:3,5.
Damit richteten sich alle Blicke auf das achte Brett, wo sich Lechhausens Nummer zwei und Behzad nach wie vor beharkten. Zweifelsohne schien sich die Waagschale zugunsten des Routiniers zu neigen, denn in einem Turmendspiel verfügte er über zwei Mehrbauern. Doch zum einen waren diese nicht unbedingt zwei Bauern wert und zum anderen verfügt Behzad gerade bei Turmendspielen über eine für sein Alter immense Erfahrung. Sie kämpften, lavierten, manövrierten und drangen und am Ende stand der Sieg des Lechhausers und damit der Gastgeber insgesamt fest – 4,5:3,5 aus der Sicht der Lechhauser.
Fazit:
Aus den letzten zwei Kämpfen holte unsere Dritte nur einen Punkt, wenngleich mit Leichtigkeit vier drin gewesen wären. Gut, da spielte sicher die mangelnde Erfahrung eine Rolle und auch ein gewisses Maß an Nervosität vor dem unverhofften Erfolg darf gleichfalls nicht außer Acht gelassen werden. Allerdings hat man sich dadurch selber dermaßen unter Druck gesetzt, dass zu hoffen bleibt, dass man sich als junges Team in dieser besonderen Situation nicht plötzlich selber um die Früchte der Saison bringt.
Hier geht es zum Ligamanager, der wie stets kühl und unberührt jene nackten Zahlen ausspukt, die Spieler und Zuschauer im Schweiße ihres Angesichts miterlebt bzw. mitgefiebert haben. Viel Spaß beim Schmökern. 🙂
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