Eine ganz lange Rochade
Der vierte Spieltag hielt, wie bereits an anderer Stelle angekündigt, das Derby gegen die Garde des benachbarten SK Rochade Augsburg. Zweifelsohne hätte der Abstand in der Tabelle kaum größer sein können, denn während wir von der Spitze her grüßten, befanden sich die Pferseer mit 0:6 Punkten im dunkelsten Tabellenkeller.
Unabhängig davon gingen wir die ganze Sache konzentriert an, immerhin hatten unsere Gegner in der Vergangenheit den dritten bzw. vierten Platz in der Endabrechnung belegt, und wurden dafür mit einem auf dem Papier überzeugenden 6:2-Sieg belohnt, wobei wir erstmals in dieser Spielzeit an den ersten sechs Brettern voll zu punkten vermochten.
Wäre das Tauziehen um Osram früher beendet worden oder hätte man einen 50. Geburtstag erst eine Woche später im „Ländle“ gefeiert, wir hätten mit Frank oder Andreas unsere Topbesetzung an die Bretter gebracht. So stieß zu Aleksandar, Arthur, Misa, Thomas, Uli, Zarko und mir Behzad ins Team, um unsere Lücke am achten Brett zu schließen.
Dass wir derart stark hatten aufstellen können, das war auch gut so, warteten doch die Pferseer erwartungsgemäß mit einer ungemein starken Mannschaft auf. Hätten sie von Anfang an die Ligaspiele mit jenem Achter bestritten, ihre Lage wäre eine gänzlich andere gewesen.
Wie dem auch sei, als unsere „Truppen“ aufeinanderprallten, da wurde schnell klar, dass im Vorfeld viel Heimarbeit betrieben worden war und man entsprechend um Pardon weder betteln, noch dass man selbiges gewähren würde.
Zwar begnügten sich Aleksandar, Misa, Uli und Behzad anfangs noch mit leichten Vorteilen, aber Thomas nutzte die Vorbereitung eindrucksvoll, um des Gegners anrüchige Verteidigung frühzeitig zu zerpflücken, und Zarko ließ, vermutlich noch im „Bullet-Modus“ befindend, nach 1. b3 mit gefühltem à tempo 1. … a5!? keinerlei Zweifel aufkommen, wohin die Reise seiner Ansicht nach führen sollte.
Lediglich Arthur und meine Wenigkeit passten zu jenem Zeitpunkt nicht so richtig ins Team, denn während Arthur noch an den Altlasten seiner Zeit vor den Schachfreunden zu tragen hatte, durfte ich mich früh entscheiden, in eine Vorbereitung zu rennen oder neue Wege zu beschreiten. Ich entschloss mich für den Kampf auf Augenhöhe, warf meine Varianten über Bord und begab mich am Brett auf die Suche nach neuen Ideen und Plänen. Diese bescherten mir zunächst ein gutes Herauskommen aus der Eröffnung, zeigten mir aber zugleich meine Grenzen auf, konnte ich doch bei bestem Willen keinen „roten Faden“ in meinem Spiel erkennen.
Selbigen verlor Behzad in kürzester Zeit gegen den „Skandinavier“ seines Gegners, sodass er anstatt über eine gute Stellung zu verfügen, ziemlich viel Druck aushalten musste. Dass unter diesen Umständen im Allgemeinen und bei jungen Spielern im Besonderen nicht leicht zu spielen ist, dass wurde alsbald gewahr, als plötzlich ein Bauer gespuckt werden musste, um den Monarchen zu retten. Die anschließend entstandene Stellung war jedoch keineswegs erstrebenswert, weshalb nach einem Figureneinsteller diese Partie ein Ende mit Schrecken fand – 0:1.
Damit nicht genug, denn Arthur hatte sich im Stile Parzivals auf die Suche nach dem Heiligen Gral begeben und war dabei ebenso erfolgreich. Beide kehrten letztlich mit leeren Händen nach Hause, wobei es bei unserem „Ritter“ einer gewissen Zuhilfestellung des Gegners bedurfte, der er ihm mit einem feinen taktischen Witz zunächst einen Bauern, dann eine Qualität und schließlich den ganzen Punkt abnahm – 0:2.
Das war ganz sicher nicht das, was wir uns gewünscht hatten, aber dennoch hielten sich die Sorgen bei Spielern und zahlreich anwesenden Zuschauern in Grenzen. Sicher, ich hatte mit meiner Planlosigkeit meinen Gegner, der mir bekanntlich selbst ohne diese Hilfestellung positionell über ist, stark gemacht und die Lage bei Misa war unklar, doch der Rest schien eindeutig für uns zu laufen.
Am Spitzenbrett hatte Aleksandar seinem Gegner vier Bauerninseln verpasst und spielte nun sein deutlich tieferes positionelles Verständnis aus, Thomas sezierte weiterhin die schwarze Stellung, Zarko erfreute sich nunmehr über eine Mehrqualität und Uli blies zum Angriff auf den nur vermeintlich geschützten schwarzen König.
So ging es dann in Richtung Zeitkontrolle, welcher abgesehen von mir alle anderen Schachfreunde gelassen entgegenblickten. Ich hatte zuviele Probleme lösen müssen, dabei unnötigerweise die ein oder andere starke Antwort übersehen und versuchte meinen Laden zusammenzuhalten. Keineswegs leicht, wenn des Gegners Bauernwalze im Zentrum auf einen zurollt und man dafür eine löchrige Rochadestellung als „Kompensation“ hatte. Just in diesem Moment, meine Uhr zeigte gerade einmal drei Minuten Restbedenkzeit für etliche Züge an, ertönte ein Engelschor in Form eines Remisangebots. Nachdem ich weitere 90 Sekunden investiert hatte, lehnte ich selbiges todesmutig ab und forderte das Schicksal in vermutlich verlorener Stellung heraus.
Bevor jedoch an meinem Brett eine Entscheidung fallen sollte, gingen in kurzer Folge drei Ergebnisse ein, von denen sich zwei bereits seit längerer Zeit abgezeichnet hatten. Zarko und Misa, bei dem es auf einmal sehr schnell ging, verbuchten den Ausgleich, während es Aleksandar vergönnt war, uns erstmals an jenem Tag in Führung zu bringen 3:2.
Doch zurück zu meiner Partie, wo der Gegner in einer keineswegs alltäglichen Stellung mit etwas Kerosin den Brand auf dem Brett zu löschen gedachte, eine Figur investierte und dabei vermutlich auf mein Hängen am Tropf des Zeitaufschlages spekulierte. Natürlich nahm ich die Herausforderung an, blieb mir doch keine Alternative, und so ging der heiße Tanz weiter.
Diesen hatte Ulis Gegner mittlerweile überstanden, denn nachdem unser Uli riesige Breschen geschlagen und mit allen zur Verfügung stehenden Figuren zum Sturmangriff angesetzt hatte, war des Gegners Verteidigung rasch zusammengebrochen. Eine schöne Angriffspartie, in der Uli seine beeindruckende Rechenkraft unterstrich – 4:2.
Auch Thomasens Partie fand bald darauf ihren Abschluss. Hier hatte sich zwar Schwarz recht lange gegen die Niederlage gestemmt, musste aber schließlich die Segel streichen und unseren Sieg damit in Stein meiseln – 5:2.
Verblieb damit nur noch ich. Lange Zeit behielt mein Gegner in der komplizierten Stellung den Überblick und war damit Herr der Lage, doch kurz vor Erreichen der Zeitkontrolle unterlief ihm ein grober Schnitzer, der zwar nicht offensichtlich etwas einbüßte, ihn jedoch unwiderruflich auf die Verliererstraße brachte. Mit zusätzlicher Zeit nach dem 40. Zug versehen, fand sogar ich die richtige Fortsetzung und stellte das schöne Endergebnis her – 6:2.
Fazit:
Insgesamt betrachtet präsentierten wir uns wesentlich besser als noch vor zwei Wochen gegen den SC Roten Turm München, waren in der Regel vor allem in taktischen Belangen voll auf der Höhe und dürfen weiterhin die Liga anführen.
Ob diese „Herbstmeisterschaft“ einen Wert hat, das darf angezweifelt werden, wenngleich ich mich zu erinnern glaube, dass der letztjährige „Herbstmeister“ am Ende auch tatsächlich aufgestiegen ist. 😉
Der Ligamanager hält wie gewohnt alle anderen statistischen Daten und vor allem die gespielten Partien bereit. Viel Spaß beim Nachspielen. 🙂
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