Von Hoffnung getrieben
Zwar war die Wahrscheinlichkeit eines Ausrutschers des Tabellenführers aus Haunstetten äußerst gering, wovon die Berechnungen des Liga-Orakels bestes Zeugnis ablegten, doch wollten wir trotzdem für den Fall der Fälle gewappnet sein. Entsprechend stark traten wir gegen die Nordschwaben aus Wertingen an, spielten konzentriert und wurden dafür mit einem sehr hohen Sieg reichlich belohnt!
Gleich zu Beginn wurden wir von unseren Gästen mit der Aussage überrascht, dass die Bretter drei und vier von des Gegners Seite verwaist bleiben würden, was Hermann und Zarko recht hart traf, mussten sie damit doch bereits zum zweiten Mal in dieser Spielzeit die Rolle des Zuschauers einnehmen. Aber wenigstens waren die anderen Wertinger zugegen, denen Alexander B., Andreas, Hannes, Martin, Robert und ich möglichst viele Brettpunkte abzunehmen gedachten.
Besonders Hannes und Robert, die es beide sichtlich genossen, endlich einmal wieder die weißen Steine führen zu dürfen, legten in ihrem jugendlichen Leichtsinn mit Gambitvarianten munter los, während wir anderen zunächst einmal in ruhigeren Gewässern fischten
Da sich nach einer Stunde selbst bei unseren beiden Ungestümen die Hoffnung auf eine schnelle Entscheidung zerschlagen hatte und mein Gegner über seinen 12. Zug brütete, bot sich mir die Gelegenheit, einen kleinen Rundgang zu machen.
Hannes hatte zwar zwei Bauern weniger, doch hatte er dafür einiges an Kompensation in Form von Entwicklungsvorsprung und einem Bonus in Sachen Königssicherheit erhalten. Erstaunlicherweise zog Alexander B. seinen „Sizilianer“ eisern durch, obwohl dieser streng genommen überhaupt nicht mehr vorlag, hatte ihn doch sein routinierter Gegner geschickt auf unbekanntes Terrain gezogen. Im Gegensatz dazu agierte Martin, der in seiner Leib-und-Magen-Variante stets der Herr der Pläne zu sein schien, ausgesprochen sicher. Übrigens ebenso wie Andreas am Nachbarbrett. Robert hatte mittlerweile einen radikalen Schwenk in seiner Vorgehensweise vollzogen und aus dem abgelehnten Gambit des Gegners eine streng positionelle Partie im Stile eines „Abtausch-Spaniers“ gemacht, was sehr ansprechend aussah.
Mein Gegner hatte, für mich überraschend, hatte ich doch im Rahmen meiner Vorbereitung keinerlei Anzeichen hierfür entdeckt, auf den Maroczy-Aufbau vertraut, wobei er sich einer eher selten gespielten Variante bediente. Dabei hatte er schlichtweg das Pech, dass ich mich erst unlängst mit diesem Thema beschäftigt hatte und daher auf eine Fülle an Plänen zurückgreifen konnte. Mit meiner sehr scharfen Antwort konfrontiert, hatte er ein großes positionelles Zugeständnis gemacht und stand deswegen ab dem 12. Zug vor größeren Problemen. Gerade als ich die beiden kampflosen Punkte im Spielbericht vermerkte, da glaubte er eine Lösung gefunden zu haben und unser Kampf ging weiter – 2:0.
Anschließend passierte über eine Stunde lang nichts mehr, bis plötzlich in kurzer Abfolge Alexander B. und Martin je einen Sieg vermeldeten. Deren Gegner hatten es zugelassen, dass die eigenen Monarchen derart in die Bredouille kamen, dass sie alsbald die Waffen streckten – 4:0.
Danach sollte es nicht mehr lange dauern, bis Andreas mit seinem Remis den Mannschaftssieg sicherstellte. In Anbetracht des Partieverlaufs und der Schlussstellung ein Resultat, das durchaus seine Berechtigung hatte – 4,5:0,5.
Damit war ein Kantersieg in greifbare Nähe gerückt, denn Hannes hatte mittlerweile sein investiertes Material bei weiterhin aktiver Stellung zurückerlangt, Robert zeigte eine traumwandlerische Sicherheit bei der Verwertung eines gewonnen Damenendspiels und bei mir hatte sich der gegnerische König versehentlich in einem kleinen Mattnetz verfangen.
Als dann Robert und ich tatsächlich zwei weitere volle Punkte beisteuerten, da schien Mitleid Besitz vom Herzen eines Großvaters ergriffen zu haben, denn Hannes stellte weitere Gewinnversuche umgehend ein und sorgte damit für den Endstand von 7:1!
Fazit:
Der Sieg war, auch in dieser Höhe, absolut verdient und freute uns sehr. Doch die Freude schwoll wesentlich an, als wir erfuhren, dass wir durch Haunstettens zeitgleich erfolgter Niederlage unvermittelt Tabellenführer sind. Tabellenführer einer Tabelle, die seltsamer nicht sein könnte, denn zwei Runden vor Schluss haben gleich vier Mannschaften 8:2 Mannschaftspunkte und damit berechtigte Hoffnungen auf den Aufstieg.
Aber nun haben wir es endlich wieder in der Hand, aus eigener Kraft den Einzug ins schwäbische Oberhaus zu schaffen, weshalb uns auch unser hartes Restprogramm nicht schreckt. Der nächste Spieltag wird hoffentlich wenigstens eine kleine Klärung herbeiführen und bis dahin wünsche ich allen Beteiligten viel Spaß beim Studieren der Tabelle und bei der Vorbereitung.
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