Die glorreichen Sieben
So mancher Teilnehmer der diesjährigen Landesmeisterschaften fühlte sich beim Anblick unserer „uniformierten“ Truppe während der gemeinsamen Einnahme der Mahlzeiten veranlasst zu fragen, ob wirklich alle Spieler mit Trikot Vereinskameraden seien. Eine verständliche Reaktion angesichts dessen, dass sich gleich sieben junge Schachfreunde in den fernen Kurort Bad Kissingen aufgemacht hatten, um dort um Punkte, gute Platzierungen, die Qualifikation zur Deutschen oder gar die Meisterschaft zu kämpfen.
Zwar konnten leider nicht alle gesteckten Ziele erreicht werden, wenngleich so mancher Tabellenplatz anderes vermuten ließe, aber letztlich herrschte dennoch große Freude in unseren Reihen, denn unser Uli holte sich in der „Königsklasse“, sprich der U18, auf eine beeindruckende Art und Weise den Titel. Herzlichen Glückwunsch! 🙂
Der Ablauf hinsichtlich der Anfahrt, der Anmeldung, der Zimmerbelegung und dergleichen verlief überaus routiniert, gehört doch unser Schachnachwuchs schon seit der Vereinsgründung zu den Stammgästen auf den Bayerischen. Zugegeben, die Anzahl der Schachfreunde war anfangs ziemlich überschaubar gewesen, weshalb es einfach nur schön war, mit Behzad, Jakob, Mehran, Robert, Sofie, Uli und Zarko gleich dermaßen viele Schützlinge vorort zu wissen.
Die Stimmung in der Gruppe war gut bis ausgelassen und man durfte wirklich gespannt darauf sein, wie jeder Einzelne am Ende das Turnier abschließen wird. Insbesondere die U18 weckte meine Neugier, denn von den angetretenen 24 Spielern stellten wir gleich derer fünf, wobei allesamt zu Beginn des Turniers unter den Top 10 angesiedelt waren. Auch war es interessant zu sehen, wie sich unsere „Einzelkämpfer“ in der U14 bzw. U16 in Szene werden setzen können, konnten sie doch nicht auf Schützenhilfe aus den eigenen Reihen zählen.
U14 – Ein ruhender Pol:
Unser Behzad hatte sich seine erste Teilnahme an einer Landesmeisterschaft redlich verdient, denn aufgrund eines großen Engagements im Training gepaart mit vielen Einsätzen in diversen Mannschaften hatte er einen immensen Leistungssprung hingelegt. Trotzdem sollte er es ruhig angehen, einfach auch deshalb, weil ihm diese Härte der Gegner nicht so geläufig war.
Wie sich diese auswirken kann, das bekam er gleich zu Beginn zu spüren, indem er sich in einer stark remislichen Stellung niederringen ließ und entsprechend nicht so gut ins Turnier startete. Auch in der Folge war er seinen Gegnern nicht wirklich unterlegen, allerdings fehlten eben jene wenigen Prozentpunkte, um eine ausgeglichene Stellung auch tatsächlich zu halten, weshalb er unvermittelt mit 1/4 in der Tabelle geführt wurde.
Davon ließ er sich keineswegs entmutigen, spielte weiterhin konzentriert, holte so 2/3, darunter ein Remis gegen den amtierenden Schwäbischen Meister, und schrammte haarscharf an der 50%-Marke vorbei. Alles in allem ein gelungener Einstand, der beim nächsten Mal sicher ausgebaut werden wird – 3/7; 16. Platz.
U16 – „Ein Wiederholungstäter“:
Obwohl Jakob die Altersklasse gewechselt hatte, war ihm scheinbar spielerisch die Meisterschaft Schwabens zugeflogen, womit die Qualifikation zur Bayerischen einherging. Hier wollte er zum einen schauen, wie die Konkurrenz so ist, und zum anderen bei einer sich bietenden Gelegenheit zugreifen bzw. nach Höherem streben. Eine äußerst vernünftige Einstellung, die vor allem in Anbetracht der Ausgeglichenheit des Feldes überaus angebracht war.
Die ersten Runden waren zäh umkämpft und die erzielten Ergebnisse spiegelten in keinster Weise Jakobs Möglichkeiten wider. Denn die 1/3 hätten auch durchaus 2/3 sein können. Wer aber das geringe Selbstvertrauen unseres „Rasierers“ kennt, der weiß, dass er sich von solchen Kleinigkeiten nicht ablenken lässt. Daher spielte er weiterhin auf einem guten Niveau, gewann in der vierten Runde etwas glücklich und legte gleich darauf einen schönen Sieg nach.
Plötzlich war er in einer großen Verfolgergruppe (4. bis 10. Platz) und nur noch ein halber Punkt trennte ihn von einem Treppchenplatz. Dieser an sich erfreuliche Turnierverlauf hatte jedoch einen gravierenden Haken, nämlich dass Jakob wieder einmal Angst vor dem Erfolg auf bayerische Ebene erhielt, wie in den Jahren zuvor zum Ende hin fahrig agierte und mit 0,5/2 die letzten beiden Runden gestaltete. Schade, denn da war viel mehr drin – 3,5/7; 12. Platz.
U18 – „Die alte Garde“:
Wenn etwa jeder fünfte Teilnehmer demselben Verein angehört und all diese Spieler beste Aussichten hatten, unter die ersten fünf zu kommen und sich so die Vorberechtigung für das nächste Jahr zu sichern, dann sind „Bruderkämpfe“ unvermeidbar. Dies war allen Schachfreunden von Anfang an klar und dennoch hatte jeder inständig gehofft, dass der Kelch möglichst an ihm bzw. ihr vorüberginge.
Nun, das Erwartete trat verschiedenerorts ein, es wurde sich nichts geschenkt, schließlich heißt es doch nicht umsonst, dass bei Schach die Freundschaft aufhöre, und anschließend gab man alles, um den Erfolg möglichst zu gewähleisten.
Als amtierender Schwäbischer Meister hatte Mehran für sich die Messlatte recht hoch gesetzt und damit einen unnötigen Druck erzeugt, war es für ihn doch, ebenso wie für seinen jüngeren Bruder, die erste Meisterschaft dieser Art. Mit diesem Druck wusste er anfangs trefflich umzugehen, obwohl ihn der Umstand, dass er in der dritten Runde gegen Uli anzutreten hatte, sichtlich ärgerte. Er holte 3/5 bei starker Gegnerschaft und blickte freudig dem Endspurt entgegen, der jedoch nichts Gutes für ihn bereithielt. Daher verharrte er auf seinem Punktestand und haderte sehr mit sich – 3/7; 15. Platz.
Ursprünglich hätte Robert mit Jakob in der U16 als Nachrücker das „dynamische Duo“ bilden sollen, doch aufgrund einer krankheitsbedingten Absage in der jüngeren Altersstufe rückte Robert in die U18 nach, um dort für ein gerades Teilnehmerfeld zu sorgen. Trotz dieser mentalen Umstellung legte er zunächst mit einem Sieg los und hätte in der Runde darauf um ein Haar einen Turnierfavoriten gestürzt. Diese gänzlich unnötige Niederlage wäre für ihn noch verkraftbar gewesen, wenn er anschließend nicht von der „Remisseuche“ befallen worden wäre. Er unternahm in jeder Partie wirklich alles, konnte es aber nicht verhindern, gleich vier Unentschieden in Folge zu fabrizieren. In der Schlussrunde drohte die Serie durch eine Niederlage zu reißen und ausgerechnet da wurde er vom Glück begünstigt – 4/7; 8. Platz.
Die fehlende sportliche Herausforderung bei den Mädchen bzw. jungen Damen hatte zur Folge gehabt, dass Sofie ihren Titel nicht verteidigte, sondern ebenfalls in Bad Kissingen an den Start ging. Warum auch nicht, führt doch nur das Messen mit stärkster Gegnerschaft zu einer sportlichen Weiterentwicklung.
Wie dem auch sei, sie fand mit einer sauber geführten Partie gut ins Turnier, vermochte aber danach nicht jene Leistung abzurufen, die sie sich erhofft hatte, weshalb eine große Rochade folgte. Von da an war Schadensbegrenzung angezeigt, welche sie recht erfolgreich betrieb und noch 1,5/3 holte. Mit ihren insgesamt 2,5/7 und dem 20. Platz blieb sie deutlich hinter den Erwartungen und bestätigte nur ihr aktuelles Formtief.
Im Gegensatz zu Sofie hatte Uli im Vorfeld keine schwache Phase gehabt, wenngleich er auch nicht unbedingt mit übertriebener Sicherheit zu glänzen gewusst hatte. Diese Tendenz schien sich in dieser Meisterschaft fortsetzen zu sollen, denn gleich zu Beginn musste Uli ins Remis einwilligen, weil er in Gewinnstellung den übernächsten Zug zuerst ausgeführt hatte.
Was danach aber folgte, das war in der Form wahrlich phänomenal, denn er legte drei schöne Siege en suite hin, wobei ihm sicher zupass kam, dass ihm drei Schwaben gegenübergesessen hatten, die er bestens kannte – Höhn, Mehran und Zarko. Damit nicht genug, denn anschließend fegte er die nominell favorisierten Oberpfälzer vom Brett, wobei sich der Regensburger Spitzenspieler und spätere Vizemeister Cedric Oberhofer noch ins Remis zu retten vermochte.
Das Meisterstück gelang Uli schlussendlich in einem weiteren Duell gegen einen Schwaben in der letzten Runde, indem er durch eine weise Eröffnungswahl in eine relative Lücke stieß, sauber stand und am Ende mit einer astreinen Technik gewann – 6/7; 1. Platz. Nochmals meine Gratulation.
Im vergangenen Jahr hatte sich Zarko als U16-Spieler die Vizemeisterschaft geschnappt, weshalb er dieses Mal, gereift an Alter und Spielverständnis mit größeren Ambitionen antrat. Dieses ehrgeizige Vorhaben schien auch keineswegs zu hoch gegriffen, denn in den ersten beiden Runden zeigte sich Zarko äußerst spielfreudig und überrannte seine Gegner förmlich.
In der dritten Runde folgte jedoch der Knackpunkt, denn unser Spitzenspieler unternahm am Schachbrett quasi einen „Selbstmord mit Anlauf“, was ihn komplett aus der Bahn warf. Als dann auch noch eine Niederlage gegen Uli folgte, da war Zarko zwar bemüht, den Anschluss an die Spitze nicht gänzlich zu verlieren, aber die Qualität der Partien war teils beängstigend.
Trotzdem robbte er sich mit zwei weiteren Siegen heran, sodass er doch noch die Möglichkeit erhielt, ein Wörtchen um die Vergabe des Titels mitzureden, wenngleich nur im indirekten Sinne. Es kam ihm nämlich die Rolle zu, seinen Freund zu unterstützen, indem er Cedric mindestens einen halben Punkt abnehmen wollte. Und tatsächlich, nachdem Weiß die Partie recht zahnlos angelegt hatte, holte er just in dem Moment das Remis, als er sich auf die Verliererstraße begeben hatte und sicherte damit Uli den alleinigen Tuniersieg – 4,5/7; 5. Platz.
Fazit:
Eine wie stets schöne Meisterschaft und ein Meistertitel verführen nur allzu gerne dazu, sich die (Schachfreunde-)Welt in den schillerndsten Farben auszumalen und dabei jene Baustellen zu übersehen, welche momentan leider zuhauf bestehen. Es ist nämlich äußerst bedauerlich, dass gleich sechs von sieben Kandidaten aus verschiedensten Gründen unter ihren Möglichkeiten blieben, ein Umstand, der nicht dauerhaft Einkehr halten darf.
Doch bevor es wieder an die Arbeit geht, schließlich ist nach der Meisterschaft vor der Meisterschaft, heißt es, sich etwas für das Saisonfinale zu erholen und sich mit Uli zu freuen, der in den Pfingstferien sein Können auf den Deutschen zeigen wird. 🙂
Alle Paarungen, Ergebnisse und Tabellen, der U14, der U16 und der U18 sind es wert, wenigstens einmal angeschaut zu werden. Schließlich sollte man doch wissen, was einem in Zukunft blühen kann. 😉
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