Scheitern mit Anlauf
Das Halbfinale sollte im idyllischen Inning am Ammersee stattfinden, welches wir, das heißt Behzad, Jakob, Katarina, Sergej und ich als betreuender Fahrer bzw. als fahrender Betreuer, ausnahmsweise mit einem Pkw aufsuchten. Zu verlockend war doch die Aussicht, etliche eingesparte Stunden, die wir ansonsten dem ÖPNV hätten opfern müssen, anderweitig zu nutzen, insbesondere am Morgen des Turniertages in den wichtigen Schlaf zu investieren.
Sei es, dass die Kinder letztlich zuviel Schlaf abbekommen hatten – 😉 -, dass ihnen die Wahl des Transportmittels in Kombination mit mir als Fahrer zu ungewohnt erschienen war, dass meine Fahrkünste sie zu sehr belastet hatten oder mir während der Fahrt schlichtweg zu wenig Zeit verblieben war, ihnen einzutrichtern, dass sie auch wirklich langsam spielen sollten, das sei einmal dahingestellt. Auf alle Fälle sorgten unsere wackeren U12-er souverän dafür, dass sie schlussendlich verdient aus dem Wettbewerb schieden. Sehr schade, war da doch definitiv mehr drin. 🙁
Schachfreunde Augsburg – FC Ergolding:
Erwartungsgemäß traf unser Vierer auf die starken Ergoldinger, die erst unlängst in einer nur leicht abgeänderten Aufstellung unsere U14-er stark ins Schwitzen gebracht hatten, deren schachliche Überlegenheit ich mit einer ausgeklügelten Vorbereitung zu neutralisieren hoffte.
Die Rechnung schien auch anfangs aufzugehen und ließ alle Mühen der Vorbereitung vergessen machen, denn an drei von vier Brettern kamen genau jene Varianten aufs Brett, die wir im Abschlusstraining besprochen hatten. Lediglich Jakobs Gegner traute sich nicht, seine zuletzt gewählte Zugfolge zu wiederholen und wich stattdessen schon sehr früh ab.
Doch was nutzt die beste Vorbereitung, wenn die Kinder die Kernaussage, nämlich sich die Bedenkzeit redlich einzuteilen, schmählich vernachlässigten. So verflog durch wildes Ziehen frühzeitig der greifbare Vorteil und bei Behzad war es gar so schlimm, dass er erst anfing zu überlegen, als er über eine Figur weniger als sein Gegner verfügte. Katarina schien vom Zugtempo ihres Mannschaftskameraden dermaßen angetan, dass sie ihm nacheiferte und dadurch statt einen Bauern alsbald zu gewinnen, gleichfalls eine Leichtfigur einbüßte. Dass sich deren erfahrene Gegner in dieser Situation nicht mehr die Butter vom Brot nehmen ließen, das kam nicht überraschend, und so hieß es, einem 0:2-Rückstand hinterherzulaufen. Bitter! 🙁
Bei Sergej sollte es unwesentlich länger dauern, aber auch er konnte der Versuchung des schnellen Spiels nicht widerstehen, verlor im Stile seiner Mannschaftskameraden ebenso eine Figur und musste später die Überlegenheit seines Gegners anerkennen – 0:3!
Blieb nur noch Jakob, der sich trotz der bereits feststehenden Niederlage der Mannschaft mit seinem Läuferpaar mühte, wenigstens einen Brettpunkt für das Team zu retten. Allerdings hatte sich sein Gegner mit einer Serie natürlicher Züge scheinbar mühelos eine starke Druckstellung aufgebaut, die er schließlich souverän zu einem vollen Punkt verwertete und damit unserer Mannschaft mit 0:4 die Höchststrafe bescherte. 🙁
Schachfreunde Augsburg – SC München Südost:
Da sich in der vorherigen Runde der SC Ammersee und der SC München Südost Remis getrennt hatten, bestand noch eine vage Chance des Weiterkommens, sofern man sich auf die alten Tugenden zu besinnen wüsste, sodass eigentlich für ausreichend Spannung gesorgt war. Aber irgendwie konnte oder wollte unser Vierer an diesem Tag einfach nicht normal spielen, weshalb man durch die Bank unbeirrt den „Lucky-Luke-Modus“ beibehielt. 🙁
Am Spitzenbrett absolvierte Jakob sechs Züge in nur einer Minute, wobei er munter Zugfolgen verwechselte, Katarina tat es ihm gleich und musste sich deshalb den starken Läufer tauschen lassen, Behzads Schnitt war mit acht Zügen in zwei Minuten zwar etwas besser, doch war das wohl immer noch deutlich zu schnell für ihn, denn er vergaß dabei einen wichtigen Tausch und bei Sergej sah es zum Thema Bedenkzeitverbrauch mit sechs Zügen in drei Minuten noch verhältnismäßig am besten aus, was ihn aber keineswegs daran hinderte, bei der sich ersten bietenden Gelegenheit seinen Damenflügel à tempo unnötig zu schwächen.
Als sich mir nach etwa einer halben Stunde folgendes Bild bot, da war ich restlos bedient und gönnte mir eine längere Auszeit, um das schöne Örtchen zu besichtigen und mir insbesondere die berühmte Rokoko-Kirche anzuschauen:
Obwohl Jakob die Idee der Variante offensichtlich nicht mehr gegenwärtig war, hatte er es nicht für nötig erachtet, sich längere Zeit mit der Stellung zu beschäftigen, um so wenigstens nach stellungskonformen Lösungen zu suchen und stand nach zwölf Zügen (in nur acht Minuten) entsprechend.
Angesichts der Zuggeschwindigkeit meiner Tochter hätte ich Jakobs Tempo sogar loben müssen, denn Katarina konnte es offenbar nicht schnell genug gehen, kann ich es mir doch nicht anders erklären, warum sie nicht nur 17 Züge in nur acht Minuten aufs Brett geknallt und dabei zu keinem Zeitpunkt den Kugelschreiber aus der Hand gelegt hatte.
Vermutlich den Rekord innerhalb der Mannschaft anstrebend, hatte Behzad seine Schlagzahl merklich erhöht. Dies hatte er jedoch nur durch planloses Spiel erreichen können, dass er zu diesem Zeitpunkt nahezu in Perfektion beherrschte, sodass nach nur 14 Zügen Bauer und Stellung weg waren. Doch wenigstens hatte er dafür nicht mehr als sechs (!!!) Minuten verbraucht.
Auch Sergej, der zwischenzeitlich seine Bedenkzeit recht ordentlich genutzt und sich einen schönen Bauern erspielt hatte, wollte scheinbar nicht wie der Senior des Teams wirken und gab ordentlich Gas.
Bei meiner Rückkehr sah ich meine Befürchtungen bestätigt, denn Sergej und Behzad standen kurz vor dem Zusammenbruch und Katarina bzw. Jakob hatten in ihren Stellungen bestenfalls Schwindelchancen, womit einem weiteren 0:4 kaum etwas im Wege stand.
Ausgerechnet in dieser schier aussichtslosen Lage schalteten Jakob und Katarina, Behzad und Sergej hatten zu dem Zeitpunkt bereits aufgegeben, auf „Kampfmodus“ um, verwirrten mit der unerwarteten Gegenwehr anscheinend ihre Gegner und gewannen beide. Ein unglaubliches Remis, das die Mannschaft noch im Rennen hielt, weil die Favoriten aus Ergolding in einem packenden Kampf gegen den SC Ammersee mit 2,5:1,5 die Oberhand behalten hatten.
SC Ammersee – Schachfreunde Augsburg:
Anscheinend waren die Kinder nun endlich im Turnier angekommen, denn zur letzten Begegnung des Tages schenkte man den Worten des mittlerweile verzweifelten Trainers Gehör.
Anders lässt es sich erklären, dass sich Jakob auf einmal die Zeit nahm, um die Schwäche im Aufbau des gegnerischen Damengambits auszuloten, dass Katarina mit ihrem Vorstoßfranzosen den Gegner gezielt einschnürte, dass Behzad eine Ungenauigkeit des Gegners konsequent zum Gewinn eines Bauern nutzte und dass sich selbst Sergej seines alten Italieners besann und sich die erforderliche Zeit nahm, um sich an die Pläne zu erinnern und aussichtsreich zu stehen.
So unglaublich das auch klingen mag, aber in diesem Stile ging es weiter, denn Jakob sicherte sich eine Mehrfigur, Katarina setzte ihre korrekte Strategie der Einkreisung konsequent fort, sodass dem Gegner langsam die sinnvollen Züge ausgingen, Behzad baute seinen Vorteil weiter aus und Sergej durfte sich gar über zwei Mehrfiguren freuen, womit die Mannschaft einem klaren 4:0-Erfolg entgegensteuerte, was in Anbetracht der sich zeitgleich anbahnenden Niederlage der Münchner die Teilnahme am Finale bedeutet hätte.
Was wie ein Märchen klingt, sollte sich am Ende als ein solches erweisen. Eingeleitet wurde alles durch ein unerwartetes Remis in Gewinnstellung, welches sich Behzad leistete, hatte er doch die Befürchtung gehabt, diesen Tag ansonsten mit 0/3 zu beenden. Kurze Zeit danach verloren Katarina und Sergej komplett den Faden, sodass unsere Amazone unterging, während sich Sergej, einst mit zwei Mehrfiguren gesegnet, in einer Verluststellung ins Remis retten durfte. Nur Jakob ließ nichts mehr anbrennen und hielt quasi den einen Mannschaftspunkt fest.
Fazit:
Die Vorstellung unseres U12-er-Teams war insgesamt erschütternd und man kann letztlich froh darüber sein, dass der Parallelkampf letztlich noch gekippt war, sodass es für die Qualifikation keine Rolle spielte, dass man den Kampf gegen den SC Ammersee nicht gewonnen hat. Doch darum ging es nicht primär, vielmehr belastete mich das Auftreten der Mannschaft, weshalb ich während der Rückfahrt jedwede Unterhaltung über Schach untersagte. .
Alle Ergebnisse gibt es hier, wobei ich zu bedenken geben möchte, dass diese Zahlen in keinster Weise das widerspiegeln, was man als Betreuer zu durchleiden hatte.
Schreibe einen Kommentar