Freut Euch, freut Euch, freut Euch!
Sechs Tage waren bereits verstrichen, die an keinem von uns spurlos vorübergegangen waren. Doch schien ich nach den Vorbereitungen der letzten Nacht einen besonders müden Eindruck gemacht zu haben, denn Olaf fragte mich, ob ich den Tag ohne eine Unmenge Kaffee auch nur ansatzweise würde überstehen können. Ich versicherte ihm, dass ich voll auf der Höhe sein werde, sofern sich die Mühen der Vorbereitung nicht als umsonst erweisen sollten. Denn ich hoffte, dass die Jungs, alle mit den weißen Steinen versehen, das Turnier mit je einem Sieg beenden würden. Zum einen ist das immer ein guter Abschluss und zum anderen hätte Zarko mit einem Sieg in der letzten Runde eine der begehrten Fahrkarten zur WM lösen können. Und Robert, Uli und Zarko hängten sich noch ein letztes Mal voll rein!
7. Tag der ODEM U 25 B bzw. der U 12:
Robert:
Hier war vorgesehen, dass Robert seine routinierte Gegnerin in der Eröffnung mit einer unerwarteten Idee konfrontiert und dann, während sie natürlich anmutende Züge macht, eine Figur unter Hergabe eines Bauern erbeutet und anschließend die Partie gewinnt. Was wie ein Wunschkonzert klingt, kam exakt so aufs Brett, nur dass Robert, für ihn ungewöhnlich, aber nach so vielen anstrengenden Tagen verständlich, mit seiner Mehrfigur kaum etwas anzufangen wusste, stattdessen ohne Not zunächst einen und dann einen zweiten Bauern hergab, um mit Mehrfigur in einem verlorenen Endspiel zu landen. Glücklicherweise spürte dies seine Gegnerin nur, ohne genau zu sehen, wie sie genau den Vorteil verwerten sollte, sodass sich Robert noch elegant ins Remis zu retten vermochte – 5,0/9! Ein tolles Turnier für Robert, der durch die umsichtige Zeiteinteilung einen echten Quantensprung hingelegt hat! 🙂
Uli:
Nachdem wir auch während des Turniers immer wieder daran gearbeitet hatten und Uli auch durch eine kurze Nachbereitung von Zarkos Partien, die er während der Deutschen gespielt hat, viele zusätzliche Pläne und Ideen kennengelernt hatte, beschloss ich, dass es nun an der Zeit sei, dass Uli das Schottische Gambit auspackt, was er auch tatsächlich tat.
Davon wurde der Gegner dermaßen überrascht, hatte Uli doch bisher stets nur den Italiener zelebriert, dass er komplett auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Zwar gelang es Schwarz, die Überleitung in die Hauptvariante des Zweispringerspiels zu vollziehen, doch wie man sich da aufzubauen hat und was da eigentlich zu tun ist, das blieb ihm verborgen. Die Folgen waren für Uli überwältigend, verfügte er doch schon nach 15 Zügen über eine dermaßen tolle Angriffsstellung, dass der Sieg nur eine Frage von wenigen Zügen war. Leider ging er dann aber nicht energisch genug vor, es tauschte sich einiges an Material ab und beide landeten in einem vollkomen ausgeglichenen Turmendspiel, das sie alsbald Remis gaben – 6,0/11! Angesichts des Umstandes, dass Uli im Vorfeld der Meisterschaft nur fünf Wochen Vorbereitungszeit gehabt hatte, um ein halbwegs wehrfähiges Repertoire aufbauen zu können, war seine Leistung gegen diese Gegnerschaft absolut beeindruckend! 🙂
Zarko:
In Anbetracht der Tatsache, dass Zarkos Sturm an die Spitze aus den Niederungen der Tabelle begonnen hatte, war klar, er wurde ja auch überflüssigerweise immer wieder von verschiedenen Personen darauf hingewiesen, dass er nur mit einem Sieg in der Schlussrunde die Fahrkarte zur nächsten WM würde lösen können. Doch wie sollte man in so einem Fall den Jungen einstellen? Sollte man nun die „Brechstange“ auspacken oder war die „kontrollierte Offensive“ doch eher angebracht?
Unabhängig von der aktuellen Turniersituation entschloss ich mich, möglichst nah an Zarkos Stil zu bleiben und empfahl ihm, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten und die Partie je nach Begebenheit im Angriff oder im „Anaconda-Stil“ zu beenden, auf alle Fälle aber möglichst lange alle Optionen zu wahren. Das tat Zarko dann auch, auch wenn ich die Vorbereitung gegen meinen großmeisterlichen Trainerkollegen deutlich verloren hatte, lag ich doch mit meiner Annahme der Wahl der Verteidigung komplett falsch, obwohl er schon sehr früh auf sich allein gestellt war! Erstaunlicherweise erwies sich gerade dieser Umstand als sehr gut, denn Zarko brütete einen eigenen Plan aus, der durchaus verbesserungswürdig ist, den die Gegnerin natürlich nicht kannte. So entstand ein offener und ausgeglichener Kampf, bis sich die junge Spielerin entschloss, ihre Dame ins Abseits zu stellen, was Zarko einen entscheidenden Angriff ermöglicht hätte. Zwar ahnte er, dass in der Stellung etwas nicht stimmte, aber er fand den richtigen Einstieg nicht, weshalb er in eine Zugwiederholung einwilligte und enttäuscht zu mir kam – 7,5/11! Er war sich dessen bewusst, dass 7,5/11 in einem solchen Feld ein hervorragendes Ergebnis darstellte, aber dennoch empfand er den 8. Platz zunächst als Niederlage. Später wich die Enttäuschung einer gewissen Zufriedenheit und ich kann nur sagen, dass dem so gut war. Denn Zarkos schachliche Reife schreitet immer schneller voran, sodass er ganz sicher eine neue Gelegenheit erhalten wird, zu einer WM zu fahren! 🙂
Das Betreuerteam:
Während unsere Kinder spielten, machten Olaf und ich alles startklar, um nach der letzten Runde die Heimreise antreten zu können. Uns war zwar klar, dass wir so die Siegerehrung verpassen würden, aber leider hatten Robert und Zarko am nächsten Tag noch einen Auftritt in einem Theaterstück am Augsburger Stadttheater, sodass eine gewisse Eile geboten war, damit die beiden nicht vollkommen erschlagen auf der Bühne hätten stehen müssen.
Als wir dann im Zug saßen, da blieb uns ausreichend Zeit, um eine Kurzanalyse unserer ersten Zusammenarbeit zu erstellen und wir waren der Ansicht, dass wir so etwas gerne wiederholen könnten. Wer weiß, vielleicht ja schon im nächsten Jahr!
Ergänzung:
Den Erfolg der Schwaben komplettierten die Gebrüder Reimann vom SK Göggingen, wobei Matthias in der U 25 B einen phänomenalen 2. Platz errang, während sein Bruder Sebastian in der U 12 mit gleichfalls 7,5/11 einen hervorragenden 9. Platz belegte. Eine besondere Erwähnung aus schwäbischer Sicht verdient auch noch die Leistung von Dennis Gretz, der in der U 14 in einem 44-er-Feld den 13. Platz zu erreichen vermochte. Abschließend verdienen auch Dilan und Leon Hacklinger eine Erwähnung, wenn wir vom Erfolg der Schwaben sprechen, erzielten sie doch beide mit 3,5/9 bzw. 4,0/9 achtbare Ergebnisse im Bereich der 50%-Marke, sodass man sagen kann, dass unsere Schwaben insgesamt mehr als überzeugt haben! Also freue Dich, oh Schwabenland! Von mir noch einen herzlichen Glückwunsch an alle!
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