Batman und Robin
Kurz vor Rundenbeginn konnte man die Anspannung im vollen Spielsaal förmlich spüren, denn nicht nur alle Teilnehmer saßen bereits mit konzentrierten Gesichtern an den Brettern, auch unglaublich viele Eltern und Betreuer waren zugegen. Während die einen ihren Kindern einfach nur Glück bringen wollten, schienen die Trainer nochmals zu prüfen, ob sie nicht vielleicht doch etwas anders hätten machen sollen bzw. ob der jeweilige Schützling auch wirklich alles verstanden hatte.
Als dann um 8.30 Uhr die Bretter auf die Minute genau freigegeben wurden, die Zeit des Wartens bis dahin muss vielen wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen sein, zumindest ging es mir so, da setzte jene Betriebsamkeit ein, die allen von verschiedenen Turnieren her bekannt sein dürfte, und die Deutschen Meisterschaften fanden ihre tatsächliche Eröffnung!
Uli; 1. Runde (Brett 7); „Mit Fortuna im Bunde“:
Da Uli aufgrund seiner vielen Erfolge in den vergangenen sechs Monaten trotz mehrfacher Ermahnung keinen Anlass gesehen hatte, sein Schwarzrepertoire auf 1. e4 zu erweitern und den Umstieg auf einen Sizilianer zu vollziehen, waren meine Handlungsmöglichkeiten entsprechend eingeschränkt. Dennoch glaubte ich, mit der Zugfolge 1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sd2 Le7 beim Gegner eine kleine Lücke gefunden zu haben.
Diese Einschätzung sollte sich bestätigen, denn nachdem Uli seinen dritten Zug ausgeführt hatte, da gönnte sich sein Gegner bereits die erste Auszeit, um sich zu orientieren. Und nachdem er sich seine Strategie zurechtgelegt hatte, da ging es weiter, wobei ihn Uli immer wieder zu überraschen wusste, sodass der Zeitverbrauch hoch blieb.
Sei es, dass Uli begann sich zu sicher zu fühlen oder weil er es einfach nicht mehr besser wusste, fing er plötzlich an, ungenaue Züge einzustreuen und schien sich förmlich zu weigern, einen der besprochen Hauptpläne umzusetzen. Infolgedessen verschlechterte sich seine Stellung allmählich und man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die „Maginot-Linie“ nicht halten würde.
Aber da gab es ja noch den Faktor Zeit, der auch bei einer Zugabe von 30 Sek. pro Zug eine wichtige Rolle spielt. In diesem Fall sogar besonders, denn als Ulis Gegner im 29. Zug endlich eine Gewinnstellung erreicht hatte, da verfügte er nur noch über 90 Sek., weshalb er dankbar zugriff, als sich ihm die vermeintliche Chance zum beschleunigten Ende Partie durch Matt bot. Allerdings lief er genau damit in einen Konter, verlor eine Qualität und landete in einem unhaltbaren Endspiel. Dieses ließ sich Uli natürlich nicht mehr nehmen und er holte sich gleich den ersten vollen Punkt! 🙂
Zarko; 1. Runde (Brett 2); „Wer zieht es durch?“:
Eigentlich wähnte ich Zarko mit Weiß gegen den amtierenden U12-Meister bestens gewappnet, nur um nach 1. e4 g6 festzustellen, dass ich mich deutlich geirrt hatte, hatte ich doch diese Verteidigung trotz des Nachspielens vieler Partien überhaupt nicht auf dem Radar. Umso überraschter war ich, als mein Junior quasi à tempo 2. h4 auspackte, war ich mir doch dessen bewusst, dass wir darüber noch nie gesprochen hatten.
Dies sollte sich auch alsbald bemerkbar machen, denn Zarkos Aufbau entsprach in keinster Weise den Erfordernissen der Stellung und so kam es, dass sein Gegner nicht nur schnell ausgleichen durfte, er durfte sich auch über eine bessere Stellung freuen.
Den Druck immer weiter geschickt erhöhend, war es im 19. Zug bereits soweit, dass Zarko derart viele Probleme zu lösen hatte, dass er auch prompt den Überblick verlor und daneben griff. Doch erstaunlicherweise nutzte sein Gegner diese sich ihm bietende Möglichkeit nicht, sondern manövrierte sich binnen nur vier Züge in eine glatte Verluststellung, was wiederum von Zarko übersehen wurde.
Nach diesen Aufregern zwischen dem 19. und dem 23. Zug verflachte die Partie deutlich, obwohl sich beide Seiten noch erhebliche Mühe gaben, eine Entscheidung herbeizuführen. Aber es war einfach die Luft heraus und so trennten sich die Jungs Remis.
Auf die Partie angesprochen meinte Zarko lapidar, dass er mich schon oft 2. h4 spielen gesehen habe, weshalb er der Meinung gewesen war, dass er es ebenfalls könne. Tja, diese Einstellung ist wohl das Privileg der Jugend! 😉
Uli; 2. Runde (Brett 7); „Fehlende Erinnerung“:
Um Uli auf die Nachmittagsrunde vorzubereiten war zwar leider nur wenig Zeit verblieben, welche erfreulicherweise aber nicht vonnöten war, weil Uli auf Bekanntes zurückgreifen konnte. Vielmehr hätte er darauf zurückgreifen können, wenn ihm die Variante auch wirklich gegenwärtig gewesen wäre!
Da sich die richtige Abfolge trotz längeren Nachdenkens nicht ins Gedächtnis rufen ließ – Wer kennt das nicht? -, entschloss er sich für den naheliegenden Weg, der ihn aber leider des Anzugsvorteils beraubte. Schlimmer noch, denn es kam noch erschwerend hinzu, dass sich auch die richtigen Pläne nicht finden ließen, weshalb er bald eine schlechte Stellung zu verwalten hatte.
All das hatte auch diesen Gegner viel berechnen lassen und das kostet bekanntlich Zeit. Hier übrigens so viel Zeit, dass der Gegner schon um den 20. Zug herum am „Tropf“ hing, er also bei etwa drei Minuten Restbedenkzeit war. Diesen Umstand wusste Uli sich trefflich zunutze zu machen, indem er seine Verteidigung taktisch organisierte und im richtigen Moment nicht nur ein Qualitätsopfer anbrachte, sondern auch ein Remis anbot, das der Gegner angesichts der Überraschung und der knappen Bedenkzeit annahm – 1,5/2. 🙂
Zarko; 2. Runde (Brett 13); „Ein sicherer Hafen“
Auch die Vorbereitung auf Zarkos nächsten Gegner sollte kaum Zeit erfordern, denn nicht nur, dass er und Zarko sich von verschiedenen Turnieren her kannten, auch die zu spielende Variante bedurfte nicht der Justierung, war doch Zarko hier ziemlich sattelfest.
Hier blieben denn auch unerwünschte Überraschungen aus, und weil sich auch der Gegner für eine kontrollierte Offensive entschlossen hatte, einigte man sich in einem Läuferendspiel auf ein leistungsgerechtes Unentschieden – 1/2. 🙂
Kommentar des Trainers:
Beide Jungs zeigten, dass sie noch nicht richtig im Turnier angekommen sind, erwiesen sich dafür aber als erstaunlich zäh und wussten wie die eingangs erwähnten Helden reichlich einzustecken, ohne zu Boden zu gehen. Wenn sie nun auch noch ihre Spielstärke abrufen, dann könnte das wieder eine erfolgreiche Meisterschaft werden.
Die besprochenen Partien können hier nachgespielt werden, wo man auch sonst aufgrund der hervorragenden Internetpräsenz viele weitere Informationen erhält.
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