Stunden der Wahrheit
Die zweite Doppelrunde der Saison sollte die Frage nach der diesjährigen Meisterschaft in der U20-Liga klären, denn unser Sechser bekam es nicht nur mit den starken Niederbayern aus Ergolding, sondern vor allem auch mit dem Titelverteidiger aus Regensburg zu tun. Zwei Siege waren leider Pflicht, wollte man sich im dritten Jahr der Zugehörigkeit zur höchsten Jugendliga Bayerns mit dem Lorbeerkranz schmücken.
Der Wille hierzu war zweifelsohne vorhanden und gekämpft wurde gleichfalls, allein ein Team erwies sich letztlich als entschieden zu stark, sodass am Ende eines langes Tages eine Niederlage zu Buche stand. Wenigstens war auch ein Sieg mit dabei, womit der zweite Platz und damit einhergehend der Stichkampf gegen einen Vertreter Sachsens ziemlich wahrscheinlich geworden ist.
Trotz eines prall gefüllten Terminkalenders war die Vorfreude auf den Spieltag in München, der SK München Süd-Ost fungierte als vorbildlicher Gastgeber und hätte bei Vorhandensein eines Aufenthalts- bzw. Analyseraumes das Prädikat „perfekt“ verdient, riesig, weshalb sich Alexander B., Jakob, Mehran, Robert und Zarko nur allzu gerne auf den Weg in die Landeshauptstadt machten, wo Uli zu ihnen stieß.
Nachdem unsere Aufstellung pünktlichst abgegeben worden war, hieß es, sich etwas zu gedulden, denn die unwiderstehliche Rückkehr des Winters hatte bei gleich zwei anderen Mannschaften dazu geführt, dass sie bereits vor dem Andrücken der Uhren die ersten Probleme zu lösen hatten. Doch als nach der berühmten akademischen Viertelstunde alle an den Brettern saßen, wurden selbige freigegeben und die angestaute Spannung wurde auf die Figuren umgeleitet.
4. Runde: Schachfreunde Augsburg – FC Ergolding
Die Niederbayern hatten sich bereits in der Vergangenheit als harter Gegner erwiesen, zeichnet sich doch ihr Nachwuchs nicht nur durch Spielstärke, sondern auch durch großen Fleiß aus. Und gerade letzterer hatte den Ergoldingern gegen uns so manchen Punkt beschert, denn unsere Jugendlichen müssen zwar spielerisch den Vergleich nicht scheuen, allerdings ist die Anzahl derer, die sich nicht nahezu ausschließlich auf ihr Talent verlassen, bedauerlicherweise recht übersichtlich.
Daher verwunderte es auch nicht, dass die Anfangsphase keinen Grund zum Frohlocken bot. Zwar hatte Zarko mit Schwarz einen schnellen Ausgleich erzielt und Robert schickte sich gar an, eine gewisse Planlosigkeit des Gegners auszunutzen, aber Alexander und Mehran hatten offensichtlich mit der Vorbereitung der Gegner zu kämpfen. Hinzu kam, dass Jakob und Uli, beide die weißen Steine führend und entsprechend den „geschlossenen Sizilianer“ spielend, noch keine nennenswerten Vorteile hatten vorweisen können, was irgendwie in der Natur dieser speziellen Eröffnung begründet liegt.
Doch mit zunehmender Dauer war es Uli gelungen, ungemein viel Schärfe in die Stellung zu bringen, was unserem Großen die Investition von zwei Bauern wert war. Im Gegenzug hatte er den Großteil seines Heeres auf dem Brett behalten und des Gegners Königs an die frische Luft setzen können. Gerade als der Gegner glaubte, alles abgewehrt zu haben und sich wohl innerlich über seine nunmehr drei Mehrbauern freute, da musste der schwarze Monarch abdanken – 1:0.
Mit dieser Führung im Rücken fiel es etwas leichter, die Geschehnisse auf den anderen Brettern zu verfolgen, obwohl es immer noch keinen Genuss darstellte. Zarko war nämlich zwischenzeitlich in einem Springerendspiel mit einem Minusbauern gelandet, welches klar verloren war. Dennoch suchte unser Spitzenmann nach einem möglichen Rettungsweg, den vermutlich nur er am Horizont zu erkennen glaubte, hätte er anderenfalls die Waffen gestreckt. Mehran durfte zwar einen Mehrbauern und eine -qualität zusätzlich befehligen, doch drohte ein verlaufener Springer die sichere Route nach Hause nicht zu finden und zu allem Überfluss sorgte die knappe Restbedenkzeit beim Zuschauer für Unbehagen.
Auch boten Alexanders und Jakobs Stellungen keinen Grund zur Zuversicht. So hatte Alexander zwar einen Mehrbauern, doch galt es eine Auflösung der verknoteten Figurenstellung zu finden, bevor man sich an die Verwertung heranmachen konnte. Jakob dagegen kämpfte in einer wilden Stellung, die jedes Ergebnis erwarten lassen konnte. Lediglich Robert hatte sich mittlerweile deutliche Vorteile erarbeitet, indem er auf den schwarzen Feldern in des Gegners Stellung virtuos aufspielte.
Einige Stunden waren seit Beginn der Partien vergangen und bis auf Ulis Ergebnis wollte sich kein weiteres einfinden, als es um die Zeitkontrolle herum Schlag auf Schlag ging. Zarko hatte tatsächlich eine Lösung für sein verlorenes Endspiel gefunden, indem er sich wohl des „Tal-Phänomens“ bedient hatte, sodass sich der Gegner ohne Not veranlasst gesehen hatte, einen gedeckten Bauern zu schlagen und damit eine Figur einzubüßen. Dass selbst danach die Partie für Zarko nicht über ein Remis hinauskam, lässt doch tief ob des Wertes seiner Stellung blicken – 1,5:0,5.
Unmittelbar danach meldeten Alexander und Jakob den Ausgang ihrer Partien. Während ersterer am Lösen des gordischen Knotens gescheitert war und daher ins Remis hatte einwilligen müssen, war Jakob der Schicksalsgöttin „Zeitnot“ erlegen, hatte einen schnelleren Zug eingestreut und musste den ganzen Zähler auf dem Opferaltar darreichen – 2:2.
Glücklicherweise hatte der Ausgleich nicht lange Bestand, denn zunächst Robert, der das Leben auch nur dann zu genießen scheint, wenn er sich recht plagt, hätte er ansonsten den Gegner wesentlich früher ausgeknipst, und Mehran, dessen Springer unbeschadet den Weg in die heimatlichen Gefilde gefunden hatte, steuerten je einen vollen Punkt hinzu und sicherten damit den Sieg – 4:2.
5. Runde: SC Bavaria Regensburg – Schachfreunde Augsburg
Da die Regensburger ihre Vormittagsbegegnung gegen die Hausherren ebenfalls hatten erfolgreich gestalten können, stand nun ein echtes Finale bevor. Doch wie gegen eine Mannschaft auftreten, deren Jugendspieler nahezu geschlossen in der bayerischen Oberliga auf Punktejagd gehen? Die Antwort darauf, zumindest aus der Sicht des Trainers war unglaublich einfach und mutete daher irgendwie genial an, nämlich die Ellenbogen in den Tisch rammen und auf die gelernten Systeme vertrauen.
Dass dies nicht unbedingt nach dem Geschmack des ein oder anderen Schützlings war, das dürfte auf der Hand liegen, weshalb in der Folge Positionen aufs Brett kamen, die in dieser Form eigentlich nicht vorgesehen waren. Aber der Reihe nach.
Kurz nach dem Andrücken der Uhren spielte sich ein Film vor den Augen der Zuschauer ab. Leider handelte es sich dabei, zumindest wenn man den jungen Augsburgern die Daumen drückte, um einen Horrorfilm, der nie enden zu scheinen wollte. Ausgerechnet Zarko hatte mit Weiß auf jedweden Anzugsvorteil verzichten wollen, Mehran verschmähte trotz Vorbereitung eine vorteilhafte Fortsetzung, Robert erlag der Krankheit namens „Schablonitis“ und Alexander, Jakob und Uli sahen sich genötigt, „Jugend forscht“ in den Eröffnungen zu betreiben.
So löblich ein gewisser Forscherdrang und der Wunsch nach Neuem sonst auch sein mag, so unangebracht war er in dieser speziellen Situation, wo es gegen diese starken Gegner nicht nur zu bestehen, sondern zu siegen galt. Entsprechend schlecht entwickelten sich all unsere Schwarzpartien, denn Alexander hatte zwar mit drei Leichtfiguren gegen zwei Türme eine interessante Materialverteilung auf dem Brett, die zweifelsohne für Spannung gesorgt hätte, wenn der Einmarsch des Gegner auf die „Fressreihe“ nicht bereits erfolgt wäre, Uli hatte kompensationslos eine Minusqualität und Jakob kredenzte dem Gegner und dem Publikum ein vollkommenes „Dreierlei“, welches Pläne aus dem „Anti-London“, dem „orthodoxen Damengambit“ und dem guten „Franzosen“ zu einem schmackhaften Nichts vermengt hatte. Hier half nicht einmal mehr das Prinzip Hoffnung.
Nur wenig besser präsentierten sich unsere „Angreifer“. Zwar konnte Zarko auf ein leichtes Stellungsplus und deutlichen Zeitvorteil pochen und bei Mehran deutete sich trotz der verpassten Chance so etwas wie ein positioneller Vorteil an, doch Robert musste gegen „Sir Cédric“ eisern das Kinn hinhalten. Und dieser kann bekanntlich fest zuschlagen!
Nur allzu gerne hätte ich an dieser Stelle von einer dramatischen Entwicklung des Wettkampfes berichtet, aber das tadellose Spiel der Oberpfälzer lässt hierfür keinen Raum offen. Es setzte nämlich der nach der Eröffnungsphase befürchtete „Domino-Effekt“ ein, der in der Folge Robert, Alexander, Jakob, Mehran und Uli nacheinander kapitulieren ließ. Lediglich Zarko war es gelungen, ein wenig Ergebniskosmetik zu betreiben und den einzigen vollen Zähler für uns einzufahren. Die schmerzhafte 1:5-Klatsche spricht Bände über das aktuelle Kräfteverhältnis dieser Mannschaften.
Fazit:
Möchte man aus jenem Wochenende etwas Positives ziehen, so sind dies zwei Dinge. Zum einen konnte mit dem Sieg gegen den FC Ergolding ein direkter Konkurrent um die Vizemeisterschaft auf Distanz gehalten werden und zum anderen, dass die Moral trotz der Lektion, welche man vom SC Bavaria Regensburg erhalten hat, ungebrochen, was nicht nur für den laufenden Wettbewerb von Bedeutung ist. Schließlich gilt es noch, mit der ein oder anderen Mannschaft das angestrebte Saisonziel zu erreichen.
Nur noch der obligatorische Hinweis auf den Ligamanager, der nicht nur alle wichtigen Ergebnisse bereithält, sondern auch die gespielten Partien verwahrt. Spielt sie ruhig einmal nach, damit ihr wenigstens ansatzweise nachfühlen könnt, womit ein alternder Trainer beim Zuschauen schonungslos konfrontiert wird. 😉
Schreibe einen Kommentar