Auf Zeitreise

Schachfreunde V – Göggingen II

Eine Zeitreise trat unsere Fünfte in der vorletzten Runde der Kreisliga 2 an, denn nicht nur reisten wir zurück zum 9. März, an dem wir eigentlich hätten spielen sollen, sondern auch in ein anderes Jahrhundert, in dem die Schachuhren überall noch mechanisch waren. Für die erste Reise danken wir den Göggingern, die einer Verschiebung zugestimmt hatten, denn am ursprünglichen Termin waren gleich drei unserer Jugendmannschaften unterwegs. Für die zweite danke ich ihnen ebenso, denn die Uhren erinnerten mich an meine erste Schachkarriere in der Jugend, als es auch stets an allen Brettern tickte. Unsere jüngeren Spieler/-innen, von denen wir wieder einige dabei hatten, mussten aber mit dem ungewohnten Spielmaterial erst einmal zurechtkommen. Dazu gehörten auch die Schachfiguren in der heute selten gewordenen Bundesform.

Johannes Pitl begrüßte uns überaus freundlich und hielt eine längere Ansprache, in der er auf die positive Entwicklung unseres jungen Vereins und seine Erlebnisse mit Alex Vučković einging. Vor allem dessen Jugendarbeit lobte er ausgiebig. Er äußerte auch die Hoffnung, dass es in der nächsten Saison zwei Augsburger Zweitligisten geben wird. Das war eine schöne Überraschung, die für eine gute und angenehme Stimmung sorgte.

Diese Stimmung wurde für uns ein wenig gedrückt, als wir merkten, dass zwei unserer Nachwuchsspieler, Leo B. und Mykyta, früh große Probleme gegen die starken und sehr erfahrenen Gegner Meszaros und Pitl bekamen. Leo verlor durch eine Taktik eine Leichtfigur und musste bald darauf aufgeben. Auch Mykyta verlor entscheidend Material. Bei jeweils etwa 800 DWZ-Punkten Abstand war das aber keine allzu große Überraschung (0:2).

Doch es gab Hoffnung. Denis (Brett 4) hatte in der Eröffnung Turm und Dame auf zwei Zentrumsfeldern platzieren können, während die Figuren des Gegners gänzlich unentwickelt waren. Das war ein lustiger und verheißungsvoller Anblick. Bei Alexandra (Brett 5) ging es hoch her. Ihre aktive Dame drohte alles Mögliche, doch ihr König blieb das ganze Spiel über schutzlos in der Mitte – nicht gerade eine ideale Ehe, aber eine sehr emanzipierte Spielanlage. Der Gegner war nicht zufrieden mit der wilden Partie und bot früh Remis, doch Alex lehnte ab, denn ihre Dame würde einen Springer erobern. Dem materiellen Vorteil (Qualität und zentraler Bauer) standen aber andauernde Initiative des Gegners und bessere Entwicklung entgegen. An den übrigen Brettern verlief die Eröffnung recht ausgeglichen.

Doch an Brett 2 konnte ich im frühen Mittelspiel nicht nur einen Bauern gewinnen, sondern ich hatte auch aktivere und besser koordinierte Figuren. Daniels Gegner hatte kurz rochiert, sein Königsflügel war aber bereits einigermaßen demoliert. Nach langer Rochade schickte Daniel seine Türme auf g- und h-Linie und begann einen Bauernsturm. Erschrocken gab der Gegner einen zentralen Bauern, aber das rettete ihn nicht mehr, zumal sich ein weißer Springer im Zentrum festsetzen konnte (1:2). Sehr konsequent von Daniel gespielt.

Michael Schr. (Brett 1) bekam es mit CM Reimann zu tun und hielt lange gut mit. Doch der Druck erhöhte sich, Michaels Königsstellung hatte viele Löcher auf den schwarzen Feldern bekommen und seine Dame stand recht wirkungslos auf a8. Michael musste einen Bauern und die Qualität geben, versuchte dafür noch einen Königsangriff zu initiieren, aber der Gegner wickelte abgebrüht in ein gewonnenes Endspiel ab, das er herunterblitzte (1:3).

Trotzdem schaute es keineswegs aussichtslos für uns aus. Denis hatte einen Turm für zwei Leichtfiguren gegeben und schließlich technisch sauber und mit Überblick ein Endspiel mit Springer und Bauer gegen zwei verbundene Freibauern erreicht. Diese stießen aber weit vor, sodass sich der Springer opfern musste. Seine neue Dame konnte den Randbauern mit dem König gerade noch so aufhalten (2:3).

Alex hatte inzwischen einen glatten Springer mehr, beide hatten zudem noch Dame und Turm, und sie konnte sich endlich mit großer Zähigkeit vom Druck des Gegners befreien (3:3). Innerhalb weniger Minuten hatten wir ausgeglichen.

Ich hatte außerdem ein Endspiel mit zwei Mehrbauern und Initiative erreicht, wozu auch die Zeitnot meines Gegners beigetragen hatte. Das mochte er sich nicht länger ansehen (4:3).

In Leo F.s Partie (Brett 3) war es im Mittelspiel zu einem offenen Schlagabtausch gekommen, in dem Leo die bessere Übersicht hatte. Beide Könige standen nicht ganz sicher. Leo gewann schließlich den g-Bauern vor dem gegnerischen König, fand aber nie Zeit, ein Schlupfloch für seinen eigenen zu schaffen. So gab es in beiderseitiger Zeitnot stets taktische Drohungen für Weiß und Schwarz. Beide hatten noch Dame und Turm. Mit Sekunden auf der Uhr, das Fallblättchen zitterte schon (Tipp: Dann ganz vorsichtig drücken!), erreichte Leo die „Verlängerung“ der Bedenkzeit, konnte dann die Schwerfiguren tauschen und das Bauernendspiel souverän gewinnen (5:3).

Der Mannschaftssieg geht trotz der großen DWZ-Unterschiede (im Durchschnitt 1374 zu 1755, bis auf Brett 8 hatten wir überall mindestens 170 Punkte weniger, meist war der Abstand noch deutlich größer) wohl in Ordnung. Damit spielen wir am letzten Spieltag gegen Kriegshaber IV weiter um einen Aufstiegsplatz. Den sympathischen Göggingern wünschen wir alles Gute.

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