Deutsche Jugendmeisterschaft 2015 (U14); 4. und 5. Runde

Zweiter Großkampftag

 

 

Der Start war mit je 2/3 zwar geglückt, aber nun hieß es, auch in jenen Runden zu punkten, die einem für gewöhnlich ein gutes Turnier gewährleisten. Schließlich kann man sich entweder in der Spitzengruppe festsetzen, eventuell gar zum Tabellenführer aufsteigen, oder aber sich zumindest so manches gute „Buchholzpferdchen“ sichern.

 

Leider meinte es die Auslosung nicht gut mit den Jungs, denn während Uli eine erfahrene Datenbank vorgesetzt bekam, zumindest in den Varianten, die dem Gegner geläufig sind – Spezialität: Die Fort Knox-Variante im Franzosen -, wurde Zarko mit einem Gegner konfrontiert, dem er bereits vor zwei Jahren unterlegen ist, weil er mit dessen vorbereiteter Variante nicht zurechtgekommen war. Doch als ich nach etlichen nachgespielten Partien spät in der Nacht endlich den Rechner abschaltete, begab ich mich mit einer großen Zufriedenheit ins Bett. 🙂

 

Uli; 4. Runde (Brett 6); „Mit voller Wucht“:

 

Die Erkenntnis nach über fünfzig nachgespielten Partien bestand darin, dass der Gegner nach strengen Mustern handelt und gerade bei Überraschungen krampfhaft  versucht, in die ihm bekannten Pläne und Motive überzuleiten. Genau diesen Umstand sollte sich Uli zunutze machen und erstmals in seinem jungen Leben mit 1. c4 eröffnen! Auf Ulis Einwand hin, dass er vom Engländer keine Ahnung habe, stimmte ich ihm zwar zu, verwies aber darauf, dass er nach 1. … c6 mit 2. e4 in Caro-Kann (Panow-Angriff) umschwenken und den Gegner auf unbekanntes Terrain zwingen werde.

 

Der einzige kleine Haken an dieser Vorgehenweise war, dass Uli über keinerlei Erfahrung im Panow-Angriff verfügte. Doch nach einer halbstündigen Vorstellung typischer taktischer Motive bzw. Pläne und dem anschließenden Nachspielen einiger Meisterpartien fühlte sich Uli ausreichend gewappnet.

 

Nach dem Frühstück begab er sich ans Brett und zog, auf die Richtigkeit der Worte seines Trainers nahezu blind vertrauend, 1. c4 !? Was dann kam, war ein Traum! Denn es lief genau so, wie geplant und bereits im 11. Zug versuchte Schwarz einen aus dem Damengambit bekannten Plan auf seine aktuelle Stellung zu übertragen, was hier schlichtweg nicht geht. Die Folge dieses Vorgehens war, dass Uli nach nur 17 Zügen eine Gewinnstellung auf dem Brett hatte, die er ganz souverän in einen vollen Punkt ummünzte – 3/4! 🙂

 

Zarko; 4. Runde (Brett 9); „Irrwege und Irrlichter“:

 

Das Ausarbeiten eines Schlachtplans für Zarko gestaltete sich deutlich schwieriger, weil Zarko darauf bestanden hatte, wieder seinen Sizilianer zu spielen und von einem Umschwenken auf den guten, alten Franzosen nichts wissen wollte. Folglich musste auf Verdacht gegen eine Vorbereitung vorgegangen werden, was natürlich einer Lotterie glich.

 

Deswegen besprachen wir am Morgen noch einmal die kritischen Varianten, erläuterten nochmals die Ideen und Pläne und verabschiedeten uns mit der Gewissheit, dass Zarko sattelfest ist. Diese Sattelfestigkeit sollte auch dringend nötig sein, denn der Gegner marschierte schnurstracks mit seiner Vorbereitung. Doch als im 12. Zug Zarkos Verständnis für die Stellung gefragt war, da zeigte sich, dass dieses leider noch nicht so ausgeprägt war und er wurde durch einen Schablonenzug in die Defensive gezwungen.

 

Allerdings vermochte er sich Dank der Mithilfe des Gegners nach nur wenigen Zügen wieder zu befreien, stand sogar richtig aktiv, wollte dann aber zuviel auf einmal, überzog, verpasste die letzte Gelegenheit, die Notbremse zu ziehen, geriet deutlich ins Hintertreffen und verlor – 2/4. Irgendwie war das nicht sein Vormittag. 🙁

 

Uli; 5. Runde (Brett 6); „Ein weiteres Bollwerk“:

 

Am Nachmittag galt es gegen den starken Vertreter aus Niedersachsen mit Schwarz zunächst zu bestehen und im Laufe der Partie auf eine Chance zu lauern. In Ermangelung einer Alternative, Uli hatte im Vorfeld bekanntlich das Erlernen des Sizilianers verschmäht, musste der „Franzose“ ein weiteres Mal modifiziert werden. Hierbei erleichterte uns das recht statische Repertoire des Gegners die Arbeit und es kam alles wie geplant – zumindest in wesentlichen Teilen. Und nach einer recht ereignisarmen Partie einigten sich die Kontrahenten auf Remis – 3,5/5. Stark! 🙂

 

Zarko: 5. Runde (Brett 13); „Auch ein Franzose?“:

 

Über seine unnötige Niederlage am Vormittag ziemlich verärgert, brannte Zarko förmlich darauf, mit einem Sieg wieder aufzuschließen. Entsprechend konzentriert bereitete er sich vor, staunte aber nicht schlecht, als sein Gegner die fragwürdige Fischer-Nimzowitsch-Verteidigung auspackte. Übermotiviert witterte er hier nach 1. e4 Sc6 2. d4 d5 einen guten Franzosen für sich, zog 3. e5 und stellte unvermittelt fest, dass nach 3. … Lf5 der schlechte Läufer im Spiel war.

 

Ungeachtet dessen erreichte er noch eine solide bis leicht bessere Stellung, wurde aber in der Folge Opfer seines unbedingten Wunsches zu gewinnen, sodass immer wieder Ungenauigkeiten auftraten, die in unangebrachten scharfen Abwicklungen gipfelten, die ihn letztlich, wie so oft, wenn man auf Gewinn spielt, ohne auf die Stellung Rücksicht zu nehmen, auf die Verliererstraße führten, die er auch nicht mehr verlassen sollte – 2/5. 🙁

 

Kommentar des Trainers:

 

Während ich mit Ulis Vorbereitung, der Umsetzung derselben und natürlich mit dem bis dato erreichten Ergebnis recht zufrieden war, bereitete mir Zarko einiges an Kopfzerbrechen. Insbesondere den Erfolgsdruck, den er sich selber auferlegt hatte, galt es abzubauen, um eine schachliche Katastrophe zu verhindern.

 

Um die Erholung zu beschleunigen und um die Köpfe frei zu bekommen, nutzten wir wieder den Freizeitbereich ausgiebig, indem wir Tischtennis, Fußball oder Tischfußball spielten. Bei allem hatten wir soviel Spaß, dass man getrost sagen kann, dass das angestrebte Ziel durch die körperliche Betätigung voll und ganz erreicht wurde. Doch würde das alles auch bis zum morgigen Tag halten?

 

Wiederum hier gibt es die betreffenden Partien, die vielleicht nach meinen hiesigen Erläuterungen etwas besser verstanden werden. Viel Spaß. 🙂

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