Allein unter Oberbayern
So mancher aufmerksame Leser wird sich nicht nur wegen des seltsam anmutenden Ergebnisses eines Schachwettkampfes wundern, sondern sich auch fragen, wie es denn die Schachfreunde in gerade einmal dreieinhalb Jahren seit Vereinsgründung bis in die Regionalliga geschafft haben. Und um die Verwirrung komplett zu machen, fand auch noch alles in der Regionalliga Süd-Ost statt, also einer Liga, wohin meines Wissens noch nie ein schwäbischer Verein aufgestiegen ist.
Trotzdem hat alles seine Richtigkeit, denn aufgrund einer besonderen Regelung in der bayerischen Turnierordnung konnten wir Schachfreunde dem Hilfegesuch des SK Ilmmünster entsprechen und wunschgemäß zwei Spieler entsenden, um im Kampf gegen den Abstieg hoffentlich etwas beitragen zu können, ohne dabei für den Spielbetrieb im Kreisverband Augsburg gesperrt zu sein. Allerdings muss die Einschränkung gemacht werden, dass der SK Bruckmühl gegen den SK Ilmmünster angetreten war und das in der Überschrift enthaltene Resultat nur unsere Ausbeute widerspiegelt.
An einem Sonntagmorgen bei herrlichem Sonnenschein und bester Stimmung machten Zarko und ich uns nach Holzkirchen auf, von wo aus wir mit unseren neuen Mannschaftskameraden die Fahrt mit dem Auto nach Bruckmühl fortsetzen wollten. Dort angekommen trafen auf gleichfalls bestens gelaunte Ilmmünsteraner, sodass auch die restliche Reisezeit wie im Fluge verging.
Als sich dann mit dem Betreten des Spiellokals zur guten Stimmung jene gesunde, aus vielen Turnierpartien bekannte Nervosität gesellte, da war alles für einen schönen Schachtag vorhanden. Mit entsprechendem Elan ging es dann in die Partien, wobei ich meine Partie im Gegensatz zu den Abendbegegnungen im Kreisverband mit einer nahezu jugendlichen Leichtigkeit führen sollte. Doch dazu später.
Zarko bekam es mit Weiß am siebten Brett mit einem erfahrenen Gegner zu tun, der sich dessen Unerfahrenheit zunächst zunutze zu machen wusste, indem er unseren Zarko nach 1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sd2 Sc6 4. c3 e5 auf dem falschen Fuß erwischte. Ungeachtet des unbekannten Terrains verfiel Zarko nicht in Panik, deckte sich zunächst zusammen und lauerte in einer etwas schlechteren Stellung auf seine Chance. Diese bot sich ihm auch schon bald, sodass er nach gerade einmal 26 Zügen zum finalen Mattangriff ansetzen durfte, den sich der Gegner nicht mehr hatte zeigen lassen wollen. Damit glückte Zarko nicht nur seine Premiere in der Regionalliga, er erhöhte auch die Führung seiner Mannschaft auf ein recht beruhigendes 2:0! 🙂
Während Zarko erst im dritten Zug mit dem Sc6-Franzosen überrascht worden war, war ich, ebenfalls wie mein Sohnemann mit Weiß spielend, bereits nach 1. e4 e5! praktisch auf mich allein gestellt. Denn nach der Vorbereitung war ich mir sicher gewesen, mit „Französisch“ konfrontiert zu werden, hatte brav meine Lücken zu stopfen versucht und dann das!
Da mein Eröffnungsrepertoire bekanntlich breit gefächert ist und ungeheuer in die Tiefe geht, witterte ich eine böse Falle meines jungen und aufstrebenden Gegners, weshalb ich mir eine kurze Auszeit gönnte. Dann entschloss ich mich zu einer selten gespielten Variante, die mit etlichen taktischen Verwicklungen versehen ist, deren Unkenntnis Schwarz jedoch recht bald in eine schwierige Lage bringen kann, während Weiß schlimmstenfalls auf den Anzugsvorteil verzichtet. Und so nahm der Kampf seinen Lauf, wobei ich aufgrund der Variantenwahl und des damit einhergehenden Zeitverbrauchs meines Gegners erfreut feststellte, dass meine Rechnung aufzugehen schien. Tatsächlich erreichte ich nach nur elf Zügen eine bessere Stellung, die ich bis zum 16. Zug derart ausbauen durfte, dass ich sie als im höheren Sinne gewonnen ansah. Doch dann versuchte ich mich mit einem großmeisterlich stillen Zug und versaute beinahe alles. Nur die aufkommende Zeitnot meines Gegenübers, dem für die letzten 19 Züge bis zur Zeitkontrolle nur etwa eineinhalb Minuten geblieben waren, was in schwieriger Stellung selbst bei 30 Sekunden Aufschlag pro Zug äußerst knapp ist, führte dazu, dass ich durch einen Einsteller plötzlich doch gewann, obwohl ich erst einen Zug zuvor einen einfachen Figurengewinn übersehen hatte – 3:1.
In den restlichen Begegnungen wogte der Kampf noch hin und her und so manches Mal ging der Kelch an den Ilmmünsteranern vorbei. Diese kritische Phase wurde im Stile einer Spitzenmannschaft überbrückt, indem man einfach standhielt und den Gegnern das Machen der Fehler überließ. Das hatte zur Folge, dass am Ende ein in dieser Höhe deutlich zu hoch ausgefallener 7:1-Erfolg „unser“ Oberbayern zu Buche stand, was nach der 1:7-Klatsche in der ersten Runde, als wir sie nicht hatten unterstützen können, wesentlich zur Beruhigung des Nervenkostüms des emsigen Mannschaftsführers Georg führte.
Bereits in der nächsten Runde besteht die Möglichkeit, mit einem weiteren Sieg gegen den Tabellenvorletzten aus Geiselhöring für weitere Entspannung bei Georg zu sorgen. Zumindest am nötigen Selbstvertrauen sollte es uns nach diesem Erfolg nicht mangeln.
Anmerkung:
Auch wenn uns diese Veranstaltung sehr gefallen hat, was mit dem Nutzen des Tages anfing, über die sportlich geprägte Atmosphäre weiterging und bei der geselligen Partiepräsentation im Kreise der Mannschaftskameraden endete – bei Mannschaftskämpfen, die gegen erst gegen 23.00 Uhr enden, ist das leider nahezu nicht umsetzbar -, finde ich diese Regelung, die uns diese Möglichkeit bietet, für die Entwicklung des Schachs ziemlich schädlich, werden doch die Vereine aus der Verantwortung genommen, mittels Nachwuchsarbeit für Verstärkungen aus den eigenen Reihen zu sorgen.
Deswegen sollte man meines Erachtens diese Form der verdeckten Spielgemeinschaften bald wieder rückgängig machen, solange sich die Mehrheit der Vereine nicht in eine zu große Abhängigkeit begeben und dabei die unerlässliche Nachwuchsarbeit vergessen hat.
Hier kann man alle Ergebnisse sehen und unsere Partien nachspielen oder ergänzend hierzu den Bericht auf der Homepage des SK ilmmünster lesen. Viel Spaß.