Die unsichtbare Hand
In meiner langen Laufbahn als Mannschaftsspieler habe ich vor einem Wettkampf nur selten, und bei den Schachfreunden gar noch nie, ein derartiges Durcheinander erlebt, denn selbst mit dem Setzen an das jeweils vorgesehene Brett beim Spiel gegen den SC Dillingen II herrschte bei so manchem von uns eine gewisse Verwirrung ob der eigenen Mannschaftsstärke. Dass dies nicht unbedingt die besten Voraussetzungen waren, um zwei wichtige Punkte aus dem nordschwäbischen Städtchen zu entführen, das dürfte einleuchtend sein, wenngleich uns, soviel sei vorweggenommen, das letztlich doch gelang. Die Schachgöttin ist uns Schachfreunden und mir als Mannschaftsführer, der ausschließlich für diese Misere verantwortlich gewesen war, anscheinend sehr wohlgesonnen.
Da auch unsere Erste von großen logistischen Problemen in Mitleidenschaft gezogen worden war – siehe Bericht TSV Steppach II vs. Schachfreunde II -, wollte ich Alexander Sch., Mehran und Hannes einsammeln, während Andreas mit Alexander B., Zarko und unserem treuesten Fan Josef direkt nach Dillingen fahren sollte. Dort wollten wir auf Hermann treffen, der aus dem fernen Westen anrücken wollte. Wir planten eine Einkesselung. 😉
Allerdings erwies sich unser Vorhaben in der Praxis als wesentlich anspruchsvoller, als es die Theorie hätte erwarten lassen, sodass nur zwei Drittel in die Tat umgesetzt wurden. Bei Andreas und Hermann klappte alles wie am Schnürchen, wohingegen ich in Augsburg auf der Suche nach Hannes umherirrte. Vor die Wahl gestellt, mit einem oder vier kampflosen Niederlagen zu starten, entschloss ich mich für das geringere Übel und mit reichlich Verspätung zogen wir Nachzügler in die Schlacht.
Unterwegs benachrichtigten wir Hermann über die anstehenden Probleme und baten ihn, bis zu meinem Eintreffen als Mannschaftsführer zu fungieren, was dieser auch tat. Als wir dann mit einer Verspätung von fast einer halben Stunde im Spiellokal eintrafen, da bot sich uns ein verwirrendes Bild. So war zwar tatsächlich eine Mannschaft mit nur sieben Spielern angetreten, aber das waren nicht wir Schachfreunde, denn unser Hannes saß am Brett. Dagegen blieb Hermanns Brett verwaist und es bahnte sich damit eine frühe 1:0-Führung für uns an.
Nachdem ich meinen ersten Zug ausgeführt hatte, da notierte ich, dass auf meiner Uhr bereits 27 Minuten abgelaufen waren, schenkte mir einen heißen Kaffee ein und versuchte wieder zur Ruhe zu finden. Schnell wurden die ersten Züge ausgeführt, bevor mich mein Gegner mit seinem siebenten Zug zum Nehmen einer längeren Auszeit zwang. Diese seltene Variante schrie förmlich nach einer Vorbereitung und ich versuchte mich krampfhaft daran zu erinnern, wie die beste Erwiderung ist. Entsprechend vergrößerte sich mein zeitlicher Rückstand auf meinen Gegner, bevor es wieder weiterging und sich endlich auch mein Gegner in die Stellung vertiefen musste.
Diese Phase nutzte ich dazu, um mir einen Überblick zu verschaffen, der mir ein innerliches Schmunzeln abrang. Hannes hatte mit Schwarz alles im Griff, hatte seine Bauern auf die richtige Feldfarbe gestellt und strebte einem tollen Läuferendspiel entgegen. Dagegen sah es bei Zarko nicht gar so rosig aus, drohte ihm trotz Anzugsvorteils seine Stellung frühzeitig um die Ohren zu fliegen. Unser Alexander B. hatte sich förmlich in des Gegners Stellung gebohrt, stellte den Gegner vor große Schwierigkeiten und hinterließ nicht den Eindruck, dass er etwas anbrenen lassen wolle. Ein Blick in Andreas` Stellung ließ in mir den Verdacht einer Partieabsprache aufkommen, denn weder er noch seine Gegnerin machten irgendwelche Anstalten, die Bretthälfte des Gegners zu besetzen, vielmehr begnügten sich beide Parteien damit, im eigenen Lager zu lavieren. Alexander Schs. Spanier verstand ich zwar nicht, doch sah alles recht gefällig aus und unser Stiller schien genau zu wissen, was zu tun ist. Blieb damit nur noch Mehran, um den ich mir angesichts seines üblichen Bedenkzeitverbrauchs größere Sorgen gemacht hatte, hatte ihm doch jetzt gleich zu Beginn eine halbe Stunde gefehlt. Allerdings waren alle Sorgen unbegründet, stand er mit Schwarz doch rasch etwas besser und so oblag es seinem Gegner, viel Zeit zu investieren, um die Stellung nicht schlechter werden zu lassen.
Mittlerweile war genau eine Stunde nach dem angesetzten Turnierbeginn verstrichen, weshalb ich Hermann zum Sieg gratulieren durfte. Kurz danach begab ich mich wieder ans Brett, denn es galt eine weitere Fortsetzung zu finden. Mir war klar, dass es in diesem Franzosen um die Kontrolle des Punktes e5 ging, doch musste ich die genaue Zugfolge finden, wäre das Durchsetzen des Zuges e5 seitens meines Gegners gleichbedeutend mit einer schlechten Stellung für mich. Als ich glaubte, alles Erforderliche getan zu haben, da verfiel mein Gegner wieder in ein längeres Nachdenken, während zeitgleich an Zarkos Brett eine kleine Unruhe einsetzte. Seine Partie war überraschend schnell zu Ende gegangen, wobei er sich einen Punkt eintragen lassen konnte. Im taktischen Wirrwarr, sollte man grundsätzlich gegen Jugendspieler und Ossi Hirn vermeiden, hatte der Gegner den Überblick, einen wichtigen Zentrumsbauern und angesichts der Schwierigkeiten die Lust am Weiterspielen verloren – 2:0-Führung.
Dieser unverhofft schnelle Erfolg hatte so eine Art Signalwirkung, denn von da an ging es Schlag auf Schlag. Mein Gegner wähnte einen günstigen Zeitpunkt erspäht zu haben, hatte dabei aber einen taktischen Gegenschlag übersehen, eine Situation, die auch bei Alexander Sch. dem Gegner zum Verhängnis wurde. Hier jedoch war so schlimm, dass nach einigen wuchtigen Schlägen der Gegner die Waffen sofort streckte – 3:0-Führung.
Unmittelbar danach stellte Hannes, der übrigens mit dem Zug nach Dillingen angereist war – nur um den Sachverhalt abzurunden -, wieder einmal sein tiefes Endspielverständnis unter Beweis, manövrierte den Gegner in eine Zugzwangstellung und sackte damit den vierten Zähler für uns ein.
Es sollte nicht viel Zeit verstreichen, da erhöhte Mehran in einer sauber geführten Partie zum 5:0, bevor Alexander B. überraschend nur ein Remis beisteuerte und damit für den ersten halben Punkt auf der Habenseite der Gegner sorgte. Was war geschehen, hatte er doch mehr als aussichtsreich gestanden? Nun, an der Stellung hatte es tatsächlich nicht gelegen, denn ein Blick auf die Stellung offenbarte einen glatten Mehrbauern für unseren Nachwuchsstar. Allerdings hatte er wieder einmal seine Bedenkzeit dermaßen aufgebraucht, dass der Gegner in Verluststellung den Mut aufgebracht hatte, Remis zu bieten, was von Alexander B. dankend angenommen worden war. Schade – 5,5:0,5-Führung.
Nach einigen von der Hoffnung getragenen Zügen, mit den verbliebenen Figuren gegen meinen König vorzurücken, ließ mein Gegner einen Husarenangriff gegen den eigenen Monarchen zu und kapitulierte noch rechtzeitig, bevor ich Matt setzen konnte – 6,5:0,5-Führung.
Blieben damit nur noch Andreas und seine Gegnerin, die, man mag es nicht für möglich halten, zwischenzeitlich alle Hemmungen abgelegt und sich einer wahren Abtauschorgie hingegeben hatten. Das daraus resultierende Springerendspiel war nicht deutlich genug besser, weshalb man sich auch hier auf ein Unentschieden einigte und damit für den 7:1-Endstand sorgte.
Mit diesem tollen Resultat im Gepäck machten wir uns auf die Heimreise, die bar jeder Schwierigkeit verlaufen war, und können nun ganz entspannt der restlichen Saison entgegenblicken, droht uns nach unten hin ganz sicher nichts mehr und nach oben hin passiert ohne Schützenhilfe gleichfalls nichts. Zumindest haben wir mit diesem Sieg weiterhin alle Chancen, um bei einem Ausrutscher der Südstädter, die Tabellenführung zu übernehmen. Hoffen wird man ja noch dürfen, oder? 🙂
Alle statistischen Informationen können wie gewoht dem Ligamanager entnommen werden. Viel Spaß. Sollte uns jemand in Aktion sehen wollen, so ist er herzlich eingeladen, am Sonntag, den 19. Februar in unserer „Zitadelle“ vorbeizuschauen, wenn es gegen den TSV Wertingen I geht. Es wird ganz sicher nicht langweilig werden.
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