Starke Ermüdungserscheinungen
Nach nunmehr fünf Tagen hatte das Turnier bei den Jungs seine Spuren hinterlassen und auch an mir waren die teils recht kurzen Nächte nicht spurlos vorübergegangen, sodass wir uns zur siebten Runden förmlich aus den Betten quälten. Damit nicht genug, denn die allgemeine Müdigkeit schien auch unseren Informationsfluss beeinträchtigt zu haben, weshalb zwar alle Hinweise, Tipps und Pläne irgendwie bei Uli und Zarko ankamen, deren Einordnung allerdings nicht exakt erfolgen sollte. Dies hatte die magere Ausbeute von 0,5/2 zur Folge und es bleibt zu hoffen, dass es in dieser Art nicht weitergehen wird.
Uli; 7. Runde (Brett 7); „Wie war das noch einmal?“:
Ulis Gegner hatte sich nach einem mäßigen Start irgendwie aus den Niederungen der Tabelle hochgekämpft, dabei aber nicht geglänzt. Deshalb sollte die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und mit einem Schwarzsieg der Kontakt zur Spitze wiederhergestellt werden. Hierzu musste aber der gute, alte „Franzose“ wiederum etwas abgewandelt werden, was angesichts der Zielsetzung und der bereits verbratenen Varianten nicht so leicht war.
Die Wahl fiel letztlich auf ein Spiel mit einem Isolani, um durch die dadurch gewonnene Schärfe der Stellung möglichst eine Entscheidung herbeizuführen. Diese sollte auch nach nur 22 Zügen erfolgen, aber leider zu Ulis Ungunsten, denn er hatte sich zwar viele gängige Pläne schnell merken können, kein Wunder, hatten wir doch die Behandlung dieser typischen Mittelspielstellung bereits mehrfach im Training besprochen, doch im Wesentlichen war hängengeblieben, dass man den gegnerischen Läufer auf b5 früher oder später mit a6 befragen könne. Leider hatte meine Betonung auf später gelegen, sodass man für die Entwicklung eventuell sogar ein Bauernopfer in Kauf hätte nehmen müssen, während Uli frühzeitig zu a6 griff und aufgrund mangelnder Entwicklung furchtbar unterging. So etwas kann passieren und wird sich in der Form bei Uli ganz sicher nicht wiederholen!
Zarko; 7. Runde (Brett 11); „Ein halbwegs geglückter Blindflug!“:
Eine unangenehme Aufgabe stand Zarko bevor, der es mit Ulis fleißigem Gegner aus der 4. Runde zu tun bekam. Unangenehm deshalb, weil er zum einen normalerweise ausgesprochen zäh spielt und zum anderen konnten wir uns kaum seiner ausgemachten Schwachstelle nochmals bedienen, musste doch davon ausgegangen werden, dass er diese zwischenzeitlich notdürftig geflickt hatte. Also was tun?
In dieser schwierigen Situation erschien mir das Damenbauernspiel die Lösung für alle Schwierigkeiten zu bieten, sofern der junge Pfälzer an seiner Schablone festhalten sollte. Folglich wurde Zarko mit einigen gängigen Plänen und Motiven vertraut gemacht, er durfte sich einige Beispielpartien anschauen und wurde dann auf den Gegner losgelassen.
Es begann zunächst auch alles vielversprechend, obwohl der Gegner eine Falle wittern musste, hatte Zarko doch bisher noch nie mit 1. d4 eröffnet, dann schwenkte der Gegner um, später sollte sich herausstellen, dass er sich diese Variante erst unlängst zugelegt hatte, und von da an war Zarko auf sich allein gestellt. Dies war aber nicht weiter schlimm, denn Schach spielen kann unser angehender Jungmeister ja, weshalb er alles mühelos im Gleichgewicht hielt, was angesichts seiner Erfahrung in diesen Stellungstypen keine Selbstverständlichkeit war.
Die Partie verlief sogar so ausgeglichen, dass wohl bei beiden Spielern eine gewisse Langeweile aufkam, sodass sie beide annahmen, dass alles ohnehin Remis sei. Dieser Einstellung war es wohl geschuldet, dass der Gegner bei einer vermeintlichen Abtauschaktion seine Niederlage einleitete, die unser Zarko aber ablehnte, indem er der Remisbreite folgend die für ihn klar vorteilhafte ausließ und sich wenig später auf Remis einigte.
Kommentar der Trainers:
Die Jungs müssen sich schachlich wahrlich vor niemandem in diesem Feld fürchten, aber je länger die Meisterschaft dauert, umso mehr wird ersichtlich, dass ihnen im Vergleich zu den meisten anderen Teilnehmern der Meisterschaft, insbesondere zur Spitzengruppe, die Turnierhärte fehlt. Dieses Manko werden wir in der neuen Spielzeit verstärkt angehen, sodass sie auch bei so langen Turnieren stets auf der Höhe sein werden.
Zu den Partien ist wenig zu sagen, denn während Ulis Betriebsunfall durchaus passieren kann, hatte Zarko alle Hände damit zu tun, sich in unbekanntem Gewässer zurechtzufinden, weshalb sein sonst übliches Druckspiel kaum zustandekam.
Natürlich ist ein Remis aus zwei Partien eine ziemlich magere Ausbeute, aber in Anbetracht der ganzen Umstände war an diesem Tag einfach nicht mehr drin. Nun heißt es, in der 8. Runde zuzubeißen und alle Kräfte für die Schlussrunde zu bündeln.
Natürlich möchte ich niemandem die entsprechenden Partien vorenthalten und wünsche allen viel Spaß beim Nachspielen, obwohl der Unterhaltungswert aus unserer Sicht nicht gerade groß ist.