Ein starker Absteiger
Zur vorletzten Runde der diesjährigen Regionalliga durften wir den Achter des SK Klosterlechfeld in unserer „Zitadelle“ begrüßen. Der Tabellenstand, die Tatsache, dass unsere Gäste als erster Absteiger bereits festgestanden hatten und unser Bestreben, im Aufstiegskampf Boden nach Brettpunkten auf den Spitzenreiter gut zu machen, verhießen eine klare Angelegenheit.
Als dann auch noch offenbar wurde, dass die Lechfelder gleich drei Stammkräfte hatten ersetzen müssen, da schien sich bei so manchem Schachfreund bereits der Gedanke eines Kantersieges durch bloße Anwesenheit im Hinterkopf einzunisten. Anders lässt es sich erklären, was in dieser Begegnung anschließend alles geschah.
Letztlich vermochten wir mit 6:2 deutlich zu gewinnen, doch war der Sieg an sich und dann auch noch in dieser Höhe gänzlich unverdient.
Die Vorbereitungen auf diesen Wettkampf waren erstaunlich harmlos verlaufen, denn trotz des dringend erforderlichen Schonens unserer Zweiten im Kampf um den Aufstieg in die Schwabenliga II hatte sich recht schnell ein Team zusammenstellen lassen, welches in der Lage hätte sein sollen, hoch zu siegen.
Entsprechend motiviert machten wir, das heißt, Alexander B., Frank, Mehran, Misa, Paul, Uli, Zarko und ich, daran, alles zu tun, was erforderlich war, um die unverhoffte Chance auf den Aufstieg in die Landesliga zu wahren. Und es schien so, als wenn man dies an höherer Stelle ebenso gesehen hätte, denn strahlender Sonnenschein verwöhnte Natur und Mensch, sodass neben der Motivation auch die Laune auf höchstem Niveau waren.
Beim Eintreffen der gegnerischen Mannschaft, mit der wir uns noch in der vergangenen Spielzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Aufstieg geliefert hatten, stellten wir nicht nur das Fehlen dreier Spitzenkräfte fest, der erwartete Achter bestand zu jenem Zeitpunkt aus nur sieben Spielern. Das Spitzenbrett sollte erst später dazustoßen, weshalb Misa zunächst ausreichend Zeit erhalten sollte, sich als Kiebitz zu betätigen.
Er sollte auch einiges zu sehen bekommen, wobei nicht alles ein Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Uli und ich griffen mit Weiß unsere Gegner frontal an, sodass eine zügige Entscheidung förmlich in der Luft lag. Mehran und Paul wollten es uns gleichtun, indem sie scharfe Varianten auspackten, von denen lediglich Mehrans zu jenem Zeitpunkt mit Vorsicht zu genießen war, war sie doch erst unlängst im Training besprochen worden und daher die Befürchtung bestand, dass noch nicht alles sattelfest saß. Und auch unsere Schwarzspieler wussten zunächst zu gefallen, gingen doch sowohl Alexander B. als Frank mit leichten Vorteilen aus der Eröffnung heraus. Lediglich Zarko hatte einen schlechten Tag erwischt, stolperte durch den Wald der Anfangszüge und stand positionell frühzeitig bedenklich. Aber mit seinen 7/7 im Rücken bestand zunächst trotzdem kein Grund zur Sorge, getreu dem Motto: „Zarko schafft das schon!“.
Mittlerweile war das Interimsspitzenbrett eingetroffen und hatte den Kampf gegen Misa aufgenommen. Erstaunlich war dabei, dass beide Seiten einer vom Gegner nur wenige Runden zuvor gespielten Partie folgten, sodass sich die Frage aufdrängte, wer von den beiden etwas ausgetüftelt hatte.
Doch bevor man sich weitere Gedanken darüber machen konnte, vermeldete Uli seinen Sieg, den er in gerade einmal vierzehn Zügen errungen hatte. Zweifelsohne hatte der Gegner für die Entstehung dieser Miniatur mitwirken müssen, aber dennoch ist die Zielstrebigkeit unseres Großen bemerkenswert – 1:0.
Kurze Zeit später vermochte ich ebenfalls einen vollen Zähler für das Mannschaftsergebnis beizusteuern. Mein Gegner hatte meinen „verzögerten Keres-Angriff“ etwas arg harmlos behandelt, hatte erforderliche energische Maßnahmen unterlassen und war im 23. Zug Matt gesetzt worden – 2:0. Das Ganze übrigens in weniger als zwei Stunden!
Die Freude darüber blieb jedoch verhalten, obwohl Alexander B., Frank und Paul ausgezeichnet standen. Ursächlich war die jeweilige Lage bei Mehran, Misa und Zarko. Mehran hatte tatsächlich etwas übermotiviert gespielt, einen wichtigen Zentrums- für einen schäbigen b-Bauern tauschen müssen und stand äußerst bedenklich. Nicht besser war es Zarko ergangen, dessen Stellung immer anrüchiger wurde. Bei Misa folgte man nach wie vor der Partie „Dr. Hornung – Motl“, wofür die Beteiligten erstaunlich viel Zeit investierten, wobei der weiße Aufbau irgendwie gefälliger wirkte.
Plötzlich folgte eine kleine Entlastung für die Gäste. Frank hatte des Gegners aktive Möglichkeiten deutlich überbewertet, weshalb er die vermeintliche Reißleine zog, in ein Remis einwillgte und sich damit wiederholt um einen vollen brachte – 2,5:0,5.
Immer noch war alles in Ordnung, denn Alexander B. stand nach wie vor blendend, Mehran hatte sich zwischenzeitlich konsolidiert, Misa hatte den Druck merklich erhöht und Paul nannte eine glatte Mehrfigur sein eigen. Die einzige Baustelle, die es irgendwie zu schließen galt, ohne dabei den vollen Zähler abzugeben, war nach wie vor Zarkos Partie.
Was dann folgte, das wirkte wie ein Traum, ein Alptraum wohlgemerkt! Zwar neigte sich die Waage bei Mehran deutlich zu dessen Gunsten, aber Alexander B. hatte quasi positionellen Selbstmord begangen, Misa hatte in Zeitnot seinen Vorteil glattweg verspielt und Paul hatte sich genötigt gesehen, anstatt eine weitere Figur zu gewinnen, Haus und Hof hinzustellen. Und da war ja noch Zarko!
Es dauerte auch tatsächlich nicht lange und Paul streckte in komplett aussichtsloser Lage die Waffen, was die Einleitung zu einem Dammbruch zu sein schien – 2,5:1,5.
Allerdings hatten wir die Rechnung ohne den Wirt, in unserem Fall die Lechfelder gemacht, denn unvermittelt trennte man sich am siebten Brett friedlich, womit Alexander B. mehr als nur mit einem blauen Auge davonkam – 3:2.
Damit nicht genug, denn während noch ausgiebig über die ausgelassenen Möglichkeiten in der jüngsten Remispartie diskutiert wurde, platzte die Nachricht von zwei weiteren Entscheidungen in die Runde.
Mehran hatte sich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen lassen und schließlich sicher verwandelt. Etwas, wovon Zarko in seiner Stellung nur hätte träumen können, sodass man von einem weiteren Anschlusstreffer hatte ausgehen können. Aber weit gefehlt! Mit einem taktischen Witz hatte er die Partie für sich entschieden und so nicht nur der Mannschaft zum Sieg verholfen, sondern zugleich seine makellose Bilanz bewahrt – 5:2.
Folglich lief nur noch Misas Partie, die spannender kaum hätte sein können. Aus einer keineswegs alltäglichen Stellung, in der Misa in einem Endspiel (!) vorübergehend über einen Mehrturm verfügt hatte, war man in einem Endspiel Turm gegen Springer gelandet.
Hier wurde laviert, manövriert, wahrscheinlich innerlich philosophiert und im 106. Zug die Entscheidung herbeigeführt. Misa erhöhte unser Brettpunktekonto um einen weiteren vollen Zähler und stellte damit den Endstand her – 6:2.
Fazit:
Dieser angesichts des Verlaufs erfreulich hohe Sieg hat uns im Kampf um die Meisterschaft und kaum weitergebracht, weil im Fernkampf die Mannschaft vom MSA Zugzwang gleichfalls erstaunlich hoch gegen den SC Sendling gewann.
Bei noch zweieinhalb Brettpunkten Rückstand verbleibt nur das Prinzip Hoffnung, dass Bayern Münchens Dritte, die ja gleichfalls noch Chancen auf den Aufstieg hat, in der letzten Runde gegen den Tabellenführer punktet.
Lassen wir uns überraschen und vergessen dabei nicht, unsere Hausaufgaben gegen die Türkheimer zu machen. Diese stehen zwar nach diesem Spieltag als zweiter Absteiger fest, sind aber brandgefährlich, haben sie doch selbst dem Tabellenführer einen Zähler abzunehmen vermocht.
Drückt uns die Daumen und nehmt Euch die Zeit, Euch alle Informationen inkl. Partien, die der Ligamanager so bietet, zu Gemüte zu führen. 🙂
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