Der rettende Gong
Wieder war uns das Losglück nicht hold, galt es doch ausgerechnet mit dem Schlusslicht aus dem württembergischen Bebenhausen die Klingen zu kreuzen. Kein Raum für Ruhm und Lorbeeren, denn bei einer Niederlage erntet man bestenfalls ein Naserümpfen und im Falle eines Sieges will niemand etwas anderes erwartet haben. Folglich war das berühmt-berüchtigte „Ellenbogen-in-den-Tisch-rammen“ angesagt.
Dies geschah dann auch, wobei dies von beiden Teams erfolgte, mein Trainerkollege hatte seine Schützlinge bestens für die letzte Begegnung gerüstet, sodass sich mir schon bald die Frage aufzwang, warum die gegnerische Truppe so weit unten in der Tabelle geführt wurde. Und nach dem Kampf, den die echten Schwaben insgesamt betrachtet absolut verdient gewonnen hatten, konnte mir niemand diese Frage beantworten.
Die Eröffnungen verliefen auf Augenhöhe, wobei die Wandlungsfähigkeit der jungen Württemberger durchaus beeindruckte, schien doch die Mannschaft ausgetauscht worden zu sein. Derart unterschiedlich agierten die Spieler im Vergleich zu sonst. Allerdings hielten, wie bereits angedeutet, unsere vier Recken voll dagegen.
So tobte der Kampf über mehrere Stunden hinweg. Stunden, in denen mir nichts andere übrigblieb, als hin und wieder zu schauen und auf Ergebnisse zu warten. Ergebnisse, die sich einfach nicht einstellen wollten, obwohl die Heftigkeit der Auseinandersetzung an den Brettern zunahm. Ein Kampf mit offenem Visier!
Bei Alexander hatte der Gegner mittlerweile eine Qualität investiert, um seinem Angriff mehr Wucht zu verleihen, Jakobs Sizilianer hatte bei heterogenen Rochaden den gegnerischen Monarchen in die Bredouille gebracht, Katarinas König schien in der Mitte auch nicht unbedingt das gemütlichste Fleckchen gefunden zu haben und nur Behzads „Franzose“ legte jene Festigkeit an den Tag, die wir uns im Vorfeld von ihm erhofft hatten.
Weitere Zeit verstrich, bis es nach ca. vier Stunden endlich soweit war, dass Fakten geschaffen wurden. Den Anfang machte Katarina, die schüchtern lächelnd anmerkte, dass sie die Partie hatte gewinnen können. In diesem Moment war alles andere, wie beispielsweise der Aufbau, wie die an den Tag gelegte Strategie oder gar der Verlauf der Partie gewesen waren, egal, es zählte nur, dass das Mädchen nach vier Niederlagen in Folge wieder etwas Mut gefasst hatte!
Bald danach kamen Alexander und Behzad, die beide die Überlegenheit ihrer Gegner an jenem letzten Tag des Turniers hatten eingestehen müssen. Während Alexander nach einer nur leicht ungenau behandelten Eröffnung vom Gegner sauber zerlegt worden war, hatte Behzad eine zunächst bessere Stellung durch übertriebenen Drang zum Abtausch ins Remis verdorben, bevor er selbiges in einem schlecht geführten Turmendspiel wegwarf. Gerade die zweite Niederlage muss wohl als ausgleichende Gerechtigkeit für Katarinas unverhofften Sieg angesehen werden – 2:1.
Blieb damit nur noch Jakob, der sich einen ordentlichen Vorteil erpielt hatte. Alles deutete auf einen sicheren Sieg in seinem Springerendspiel mit Mehrbauern, das er zunächst hervorragend zu behandeln gewusst hatte. Erstaunlicherweise schien seine Konzentration dermaßen stark nachzulassen, dass er einen einfachen Gewinn gleich mehrfach ausließ, sich dadurch unnötig mühte und in einem Moment der Unaufmerksamkeit stellte er mit einem Zug einen Bauern und einen Springer ein, sodass dem Gegner das Remis nicht mehr zu nehmen war. Äußerst bitter für unseren Kämpfer und die wackere Mannschaft – 2,5:1,5
Fazit:
Damit ging die erste Deutsche Meisterschaft einer unserer U14-Mannschaften zu Ende und man kann wohl offen sagen, dass Spieler und Trainer froh darum waren, schien da doch irgendwie der Wurm drin gewesen zu sein. Dabei bezieht sich das verhaltene Urteil keineswegs auf die Platzierung, die zweifelsohne eine Spur besser hätte ausfallen können, sondern vielmehr auf zwei Dinge, die Spieler und Trainer betreffen.
Das eine ist definitiv die teils arg oberflächliche Behandlung der Eröffnungen, die manchmal zur Folge gehabt hatte, dass die jeweilige Partie bereits im höheren Sinne beendet war, noch bevor der Kampf überhaupt richtig begonnen hatte. Aber vor allem die erschreckend schwache Verwertung von besseren bis hin zu gewonnenen Stellungen muss der Mannschaft angekreidet werden.
Und was mich anbelangt, so habe ich wohl die Mannschaft nicht richtig für die Meisterschaft auf Bundesebene eingestellt, anderenfalls hätte unser Vierer nicht derart vorsichtig, ja manchmal sogar ängstlich gespielt. Denn wenngleich es sich hierbei um eine Deutsche gehandelt hat, so war es dennoch ein Schachturnier. Hätten das meine Schützlinge von Anfang an so gesehen, wären sie befreiter aufgetreten, hätten sie zweifelsohne jene Leistung abgerufen, die in ihnen allen schlummert und die sie anderenorts immer wieder zeigten.
Aber wir werden an uns arbeiten, sodass man durchaus gespannt darauf sein kann, wie sich Alexander, Behzad, Jakob und Katarina weiterentwickeln und wie sich nachfolgende Generationen präsentieren werden.
Hier gibt es übrigens alle Ergebnisse, Tabellen und Partien. Viel Spaß beim Studieren und Nachspielen.
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