Kreisliga I: 1. Runde; SK Kissing I – Schachfreunde Augsburg I

Von Fortuna oft geküsst

 

 

Es hat leider schon Tradition, dass unsere Erste zu Beginn der Spielzeit einen sehr schwachen Auftritt hinlegt, doch was wir uns am ersten Spieltag gegen die Paartaler erlaubt haben, das war mehr als erschreckend! Wie das folgenlos bleiben konnte, das vermag ich nicht zu erklären, habe ich doch etwas Vergleichbares  in meiner nunmehr 32-jährigen Praxis als Mannschaftsspieler noch nicht erlebt. Vielleicht war es einfach nur Glück oder aber die Summe einiger kleinerer Fehlentscheidungen unserer Gegner.

 

Tatsache ist aber, dass wir am Ende eines sehr langen Abends einen äußerst glücklichen 5:3-Sieg mit nach Augsburg nehmen durften und damit die ersten beiden Punkte in Richtung – Wohin eigentlich? – Aufstieg bzw. Klassenerhalt eingefahren haben, die uns niemand mehr nehmen kann.

 

Sicher war die Planung nach einigen zuvor erfolgten Absagen alles andere als einfach gewesen, musste doch unsere zeitgleich spielende Zweite halbwegs konkurrenzfähig gehalten werden, aber uns gelang es erneut, unter den gegebenen Umständen eine gute Lösung zu finden. Als dann aber kurzfristig ein weiterer Ausfall zu beklagen war, da war es einfach nicht mehr möglich, diesen zu kompensieren und man beschloss, mit einer auch nominal geschwächten Ersten nach Kissing zu fahren.

 

Dort angekommen wurde uns bei der Begrüßung trotz Unterbesetzung die Rolle des Favoriten zugesprochen und mit dem Andrücken der Uhren wurde das beispiellose Drama in Gang gesetzt.

 

Die Zuschauer müssen die Ereignisse an meinem Brett mit Unverständnis wahrgenommen haben, denn ich machte genau drei Züge in einem für eine Eröffnung typischen Tempo, bevor ich ab dem dritten Zug des Gegners in eine Art Starre verfiel. Wer nun glaubt, ich hätte eine raffinierte Strategie ausgeklügelt, der irrt gewaltig, denn in meinem Kopf herrschte eine unvorstellbare Leere, die zu füllen mir einfach nicht gelingen wollte. Die Folge war, dass ich nach nur elf Zügen 61 Minuten hatte verstreichen lassen, um mich in einer leicht schlechteren Stellung wiederzufinden.

 

Aber auch meine Weißkollegen, nämlich Zarko, Martin und Andreas, stellten eindrucksvoll unter Beweis, dass sie fahrlässig mit dem  Anzugsvorteil umzugehen wissen, sodass sich nur Zarko über einen minimalistischen Vorteil freuen durfte, während Martin und Andreas dem jeweiligen Gegner einen mühelosen Ausgleich gestatteten. Doch das war alles immer noch besser, als das, was ich auf dem Brett hatte.

 

Wenigstens unsere Schwarzspieler boten Grund zur Freude. Denn Hannes hatte mühelos ausgeglichen und schickte sich an, die Initiative an sich zu reißen, während unsere „Kurzen“ unbekümmert aufspielend bereits leichten bis klaren Vorteil erspielt hatten. Alexander (12 Jahre) hatte sich frühzeitg strategische Schwachpunkte im gegnerischen Lager gesichert und Katarina (11 Jahre) hatte jede Ungenauigkeit ihres Gegners bestraft und besaß eine Qualität und drei Mehrbauern!

 

Vermutlich fühlte sie sich in dieser Phase etwas zu siegessicher, denn auf einen Angriff zog sie ihren Turm ausgerechnet auf ein Feld auf dem dieser wenige Züge später nach einem Doppelangriff mit Mattdrohung verlorengehen sollte. Bitter! In Anbetracht dieser Entwicklung, der 1:0-Führung und meiner Stellung bot Martins Gegner in leicht besserer Stellung Remis, das nicht guten Gewissens abgelehnt werden konnte. Vom Gegner verständlich, aber vielleicht zu voreilig gehandelt – 0,5:1,5.

 

Es sollte jedoch nicht lange dauern, da machte Katarina die „Berührt-geführt-Regel“ geltend, deren Richtigkeit der Anwendung der Gegner zwar zunächst bestritt, kurze Zeit später jedoch akzeptierte,woraufhin ein Matt folgte, sodass wir plötzlich den Ausgleich hatten – 1,5:1,5 -, über den sich aber kaum ein Schachfreund richtig freuen konnte. Denn Hannes hatte alle Brücken hinter sich abgerissen, Zarkos zwischenzeitlich erfolgter Angriff hatte sich festgerannt, bei Andreas konnte von Vorteil keine Rede sein und ich steuerte in schlechter Stellung auf eine schlimme Zeitnot zu.

 

Auf der Habenseite konnten wir lediglich Alexander verbuchen, der dem Gegner mittlerweile einen Bauern rausoperiert hatte und sich anschickte, der gegnerischen Stellung weiteren Schaden zuzufügen. Doch ausgerechnet an diesem Brett sollte die nächste Punkteteilung erfolgen, denn Alexander war ob des Fußballspiels am Vormittag, der langen Anreise aus dem Fränkischen und der für ihn ungewohnt spät angesetzten Runde schlichtweg zu müde, um weiterzukämpfen und bot zur großen Freude der Kissinger Remis, das der Gegner umgehend annahm – 2:2.

 

Mit der Beseitigung dieser Sorge und des Umstandes, dass Hannes und ich mittlerweile mehr als bedenklich standen, kam es seitens der Kissinger zu zwei für uns erfreulichen Remisgeboten, obwohl beide etwas besser standen und gefahrlos auf Gewinn hätten weiterspielen können. So konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Verantwortung an die restlichen Kameraden abgegeben werden sollte. Wie dem auch sei, Zarko sah einen Gegenangriff auf sich zurollen, dem er in seinen Augen nur wenig entgegenzusetzen hatte und nahm an, während Andreas ablehnte, um womöglich doch noch einen Mannschaftspunkt zu retten – 2,5:2,5.

 

Diese Entscheidung sollte sich als goldwert erweisen, denn durch die Ablehnung in der konkreten Stellung scheinbar derart konsterniert, stellte der Gegner vollkommen unnötig die Dame ein und wir lagen erstmals mit 3,5:2,5 in Front!

 

Erstmals keimte Hoffnung auf, auch wenn diese nach einem objektiven Blick auf Hanneses und meine Stellung unbegründet war. So hatte ich zwar die Zeitnot überlebt, nachdem ich zwischenzeitlich sogar leichten Vorteil hatte, aber auch dem Gegner die Gelegenheit geboten hatte, in ein wohl gewonnenes Turmendspiel abzuwickeln, stand aber anrüchig. Eine Stellungsbewertung, von der Hannes nur träumen durfte, denn er befand sich zu dem Zeitpunkt in einem Doppelturmendspiel mit drei (!!!) Minusbauern.

 

In Anbetracht der Stellung am Nachbarbrett traf ich im 45. Zug eine folgenschwere Entscheidung, indem ich einem Dauerschach auswich, in schwieriger Lage Komplikationen heraufbeschwor und so die theoretische Chance auf einen Mannschaftssieg wahren wollte. Auch diese kühne bis wahnsinnig anmutende Vorgehensweise sollte belohnt werden, denn dies schien den Gegner zu irritieren, war er sich doch dessen bewusst, besser zu stehen, sodass er bald danach fehlgriff, einen Bauern verlor und mir zudem gestattete in ein technisch gewonnenes Endspiel abzuwickeln.

 

Und während dies alles passierte, äußerte sich der Kissinger am Nebenbrett sehr unzufrieden über seine Stellung, grübelte noch etwas und willigte sichtlich geknickt in die Punkteteilung ein 4:3!

 

Was war geschehen? In einer höchst gewonnen Stellung hatte der Gegner immer wieder die ein oder andere Ungenauigkeit eingestreut, sodass Hannes immer wieder weiterspielen konnte. Als dann der Sieg mit zwei verbundenen Freibauern gegen einen Turm zum Greifen nahe schien, da erlaubte er Hannes eine letzte lehrreiche Verteidigung, die zum Tausch des Turms gegen die beiden Freibauern geführt hätte.

 

Da ich zwar immer noch nicht zu einer großartigen Idee fähig war, aber Dank der technischen Stellung in den letzten mir noch verbliebenen Minuten auf Autopilot schalten konnte, konnte ich den Sieg im Endspiel auch nicht mehr verhindern und sicherte damit unseren 5:3-Erfolg.

 

Fazit:

 

Was auf dem Papier sehr souverän aussieht, indem sieben Schachfreunde bei vier Remisen und keiner gespielten Niederlage 5:3 gewinnen, spricht der Wirklichkeit Hohn und wir müssen uns bis zum nächsten Kampf erheblich steigern, wenn wir so etwas nicht noch einmal erleben möchten. Dass das gerade gegen den SK Keres unbedingt nötig sein wird, das muss nicht extra betont werden, kam doch unser „Flaggschiff“ vor zwei Jahren gegen deren zweite Auswahl nicht über ein Unentschieden hinaus. Wenigstens werden wir dann hoffentlich auf unsere Ausfälle zurückgreifen und uns vor allem von diesem Match etwas erholen können.

 

Alle Einzelergebnisse des Spieltages findet Ihr hier. Und denkt beim Anschauen bitte stets daran, dass es oftmals eine große Diskrepanz zwischen den nackten Zahlen und den Geschehenissen am und auf dem Brett!

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One Response to Kreisliga I: 1. Runde; SK Kissing I – Schachfreunde Augsburg I

  1. BSE says:

    Das hier: „denn in meinem Kopf herrschte eine unvorstellbare Leere, die zu füllen mir einfach nicht gelingen wollte“ kenn ich. Ist Schach-Alzheimer im Frühstadium. Aber keine Sorge, das schlägt erst in zehn Jahren voll durch.

    Sir Charles hat das auch.

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